BSG: Nachforderung des Krankenhauses nach bereits erteilter Schlussrechnung
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 19.11.2019 (Az. B 1 KR 10/19 R) die Revision betreffend die Klage des Krankenhauses auf Zahlung einer weiteren Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung aus dem Jahr 2009 im Einklang mit den Entscheidungen der Vorinstanzen zurückgewiesen. Das klagende Krankenhaus hatte ein Zusatzentgelt für den Einsatz eines Excimer-Lasers berechnet, nachdem es zuvor eine Schlussrechnung erstellt hatte und diese auch durch den MDK auf Veranlassung der beklagten Krankenkasse überprüft worden war. Gegenstand der Überprüfung war allerdings die Frage, ob die präoperative Aufnahme medizinisch begründet gewesen sei. Dies hatte der MDK verneint, weswegen die Beklagte die Verweildauer um einen Tag kürzte und einen verminderten Rechnungsbetrag zahlte. Die neue Schlussrechnung wurde seitens des Krankenhauses drei Jahre nach Abschluss des MDK-Verfahrens, jedoch noch innerhalb der Verjährungsfrist der ursprünglichen Krankenhausabrechnung erstellt. Der erkennende Senat geht zwar davon aus, dass das Krankenhaus möglicherweise einen Anspruch auf Zahlung weiterer 3.184,75 € für den Einsatz des Excimer-Lasers hatte; dieser war jedoch mit Ablauf des Jahres 2010 verwirkt trotz der von der Beklagten eingeleiteten Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1c SGB V. Innerhalb der Verjährungsfrist richte sich die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses wegen Behandlung eines Versicherten wegen des Rechtsgedanken des § 242 BGB nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Das Rechtsinstitut der Verwirkung findet zwar nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Ein Verwirkungsverhalten werde aber regelmäßig in der vorbehaltlosen Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses gesehen. Zudem entstehe eine Vertrauensgrundlage in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden, noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend mache. Nur dann, wenn die Schlussrechnung in seltenen Ausnahmefällen offensichtlich unschlüssig sei, könne eine Rechnungskorrektur auch nach Ablauf eines ganzen folgenden Haushaltsjahres noch nicht verwirkt sein. Hierzu bedürfe es aber eines offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarfs zu Gunsten des Krankenhauses, der der Krankenkasse Anlass gibt, von sich aus hierauf hinzuweisen. Es sei aber nicht Aufgabe der die Krankenhausrechnung prüfenden Krankenkasse, systematisch zu Gunsten des Krankenhauses ein Medizincontrolling vorzunehmen. Die von der Krankenkasse gewählte Prüftiefe der Krankenhausabrechnung bestimme, welche Erkenntnisquellen für die Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob für die Krankenkasse ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf der Abrechnung besteht. Prüfe die Krankenkasse lediglich die Schlussrechnung, ohne sie mit den übermittelten Abrechnungsdaten abzugleichen, könne sich ein ins Auge springender Korrekturbedarf nur allein aus der Schlussrechnung ergeben. Würden in die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit die übermittelten Abrechnungsdaten einbezogen werden, könne sich der Korrekturbedarf aus der Gesamtschau der Rechnung und der Abrechnungsdaten ergeben. Sofern die Krankenkasse den MDK mit Überprüfung einer Auffälligkeit beauftragt und der MDK die Krankenkasse über einen ins Auge springenden Korrekturbedarf informiere, müsse die Krankenkasse diese Information einbeziehen. Der prüfende MDK-Arzt sei berechtigt, solche Erkenntnisse der Krankenkasse mitzuteilen. Andererseits seien die Ärzte des medizinischen Dienstes bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und auch nicht verpflichtet, als Medizincontroller des Krankenhauses tätig zu sein. Sei der Fehler der Abrechnung für die Krankenkasse dagegen auch unter Berücksichtigung der übermittelten Daten nicht erkennbar, scheide eine Korrektur der Rechnung nach Ablauf des nachfolgenden vollen Haushaltsjahres von vornherein wegen Verwirkung aus, da sich die Krankenkasse selbst nicht treuwidrig verhalte. Ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses habe nicht vorgelegen, da die Kodierung der OPS-Ziffer 5-378.a0 für den Einsatz eines Excimer-Lasers ohne Kodierung eines Zusatzentgeltes in der Entlassanzeige nicht zu einer offensichtlichen Unschlüssigkeit der Schlussrechnung geführt habe. Der Korrekturbedarf müsse so offensichtlich sein („ins Auge springen“), dass er auch bei flüchtigem Lesen wahrgenommen wird und keine weitergehenden Überlegungen zu dem Abrechnungsvorgang voraussetzt. Hier hätte es zusätzlicher Kenntnisse bedurft, dass es zu der kodierten Prozedur für den Einsatz des Excimer-Lasers die krankenhausindividuelle Vereinbarung eines ZE gebe für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Es sei nicht erkennbar, dass der Korrekturbedarf den mit der Prüfung bei der Beklagten befassten Mitarbeitern wegen solch spezifischer Kenntnisse ins Auge sprang. [if !supportLineBreakNewLine]
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