Dr. med. Inken Kunze

8. Juli 20201 Min.

Mammadiagnostik II: Übersehen einer Verdickung in der Brust als Diagnoseirrtum

In Abgrenzung zu dem oben zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs hat das Oberlandesgericht Dresden mit seinem Urteil vom 21.04.2020 (Az. 4 U 1346/19) das Übersehen einer Verdickung in der Brust als (haftungsrechtlich irrelevanten) Diagnoseirrtum eingestuft. Hier hatte die Beklagte – Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe – bei der Untersuchung der Brüste der Klägerin im März 2012 zwar dokumentiert, dass die Klägerin selbst eine Verdickung in der linken Brust getastet habe, bei der eigenen Untersuchung jedoch lediglich einer diffuse Mastodynie ohne Knoten und ohne auffälligen Lymphknotentastbefund festgestellt. Im November desselben Jahres wurde sodann an der linken Brust ein Tastbefund erhoben, welcher in der Folge nach Mammografie in der Diagnose eines Mammakarzinom mündete. Nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen sei nicht ausgeschlossen, dass die Mastodynie und ein entstehender Tumor parallel zueinander, aber unabhängig voneinander entstanden seien. Eine tastbare Verdickung habe daher zwar möglicherweise vorgelegen, es sei aber nicht unvertretbar, dass dieser von der Beklagten nicht erhoben worden sei. Der von der Klägerin beschriebene Befund in der Größe von einem Zentimeter liege an der Grenze der Tastbarkeit; zudem hänge diese auch stark von der konkreten Lokalisierung und der Beschaffenheit der Brust ab, wie z.B. hormonell oder entzündlich bedingte Schwankungen. Die von der Beklagten dokumentierte Wiedereinbestellung der Klägerin aufgrund des von ihr geschilderten Tastbefund zur klinischen Kontrolle nach drei bis sechs Monaten sei nicht zu beanstanden, da es bei unauffälligem klinischen Befund keine verpflichtend vorgeschriebenen Zeitintervalle zu Kontrolle gebe. Der Beweis, dass ein solcher Hinweis auf Wiedervorstellung nicht erteilt wurde obliege der Klägerin, da es sich um einen Fehlervorwurf im Rahmen der therapeutischen Sicherungsaufklärung handele.