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AutorenbildStephan Grundmann

Werbung für Krankenschein per WhatsApp unzulässig

Das OLG Hamburg hat in seinem Urteil vom 05.11.2020 (Az. 5 U 175/19) die beworbene Praxis der Beklagten für unlauter im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes befunden. Die Beklagte betrieb eine Homepage, auf der sie damit warb, dass Interessierte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung „einfach online per Handy nach Hause“ erhielten. Hierzu hatten die Nutzer zunächst online einige Fragen zu beantworten, die gezielt Symptome einer Erkältungskrankheit abfragten und mögliche Risikofaktoren ausschließen sollten. Soweit die Antworten des Nutzers nicht zu einer Erkältungsdiagnose führten oder gewisse Risikofaktoren vorlagen, erhielt dieser eine automatisch generierte E-Mail, dass er den Dienst der Beklagten nicht nutzen könne. Es war den Nutzern aber möglich, durch erneute Beantwortung der Fragen im Sinne des Systems doch noch zu einer möglichen Nutzung des Dienstes zugelassen zu werden. Sobald der Nutzer die richtigen Symptome mitgeteilt hatte, wurden diese an einen angestellten Arzt der Beklagten digital übermittelt, der die Symptome überprüfte und die durch den Nutzer angestrebte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellte und diese dem Nutzer über WhatsApp weiterleitete.

Das OLG Hamburg bestätigte nun das Urteil der ersten Instanz. Die dargestellte Werbung verstoße gegen das Werbeverbot aus § 9 HWG und sei damit unlauter im Sinne des § 3a UWG. Das Verbot der Werbung für Fernbehandlung aus § 9 HWG sei ein abstraktes Gefährdungsdelikt, weshalb es nicht darauf ankomme, ob die Durchführung der Fernbehandlung tatsächlich beabsichtigt sei oder sogar erfolgte. Aufgrund dessen sei auch der Maßstab für die „allgemein anerkannten fachlichen Standards“ aus § 9 S. 2 HWG, deren Berücksichtigung die Werbung für Fernbehandlung rechtfertigen könnte, aus dem grundlegenden Maßstab der Musterberufsordnung für Ärzte zu entnehmen, auch wenn dieser für die einzelnen Landesärztekammern nur Empfehlungscharakter habe. Die Heranziehung des Maßstabes der Musterberufsordnung als konsensualer Standard ermögliche erst eine einheitlich und interessengerechte Auslegung des § 9 HWG, der schließlich lediglich auf die Unzulässigkeit der Werbung selbst und nicht auf die Unzulässigkeit der Fernbehandlung abstelle. Dabei stellte das OLG Hamburg auch klar, dass zwar eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien gem. § 7 Abs. 4 S. 3 MBO-Ä im Einzelfall erlaubt sein könne, mit diesem „Einzelfall“ sei aber gerade kein spezielles Krankheitsbild – wie beispielsweise eine Erkältung – gemeint, sondern das konkrete Arzt-Patienten-Verhältnis in jedem einzelnen Behandlungsfall. Denn im vorliegenden Fall würde die Anamnese ausschließlich auf den Antworten des Patienten auf die vorformulierten Fragen der Homepage beruhen. Eine Abwägung im Einzelfall könne so gerade nicht stattfinden. Letztlich steht dieses Ergebnis nach Ansicht des Gerichts auch im Einklang mit den zwischenzeitlichen Möglichkeiten zur telefonischen Krankschreibung nach § 8 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie aufgrund der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschuss bezüglich der Covid-19-Pandemie. Wenn eine telefonische Krankschreibung im Rahmen der Risikominimierung in der Covid-19-Pandemie ausnahmsweise möglich sein soll, dann ist im Umkehrschluss das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit einem viel eingeschränkteren Kontakt über ein Kontaktformular im Internet regelhaft unzulässig.


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