Prof. Dr. iur. Pascal Becker-Wulf
Keine arbeitsrechtliche Loyalitätspflicht bei Krankenhausfusion
Ein Chefarzt bzw. eine Chefärztin, der bzw. die in einem von zwei Kreiskrankenhäusern für die medizinische Versorgung verantwortlich ist und die unternehmensrechtliche Entscheidung für eine Verschmelzung der beiden Kliniken „torpediert“, verletzt hierdurch nicht seine bzw. ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Gera in seinem Urteil vom 20.12.2023 (Az. 4 Ca 495/23) zählt es nicht zu seinen bzw. ihren arbeitsvertraglichen Pflichten, derartige Entscheidungen zu unterstützen.
Bei seiner Entscheidungsfindung hat das Gericht den Vortrag des Krankenhauses als zutreffend unterstellt, dass der Chefarzt den Verschmelzungsprozess der beiden Kreiskrankenhäuser torpediert hat. In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt hat der Chefarzt insbesondere an Demonstrationen der Belegschaft gegen die Fusion der Kreiskrankenhäuser teilgenommen. Es zählt jedoch nicht zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten, derartige unternehmensrechtliche Entscheidungen zu unterstützen. Auch ein Verstoß gegen seine Loyalitätspflichten ist nach Auffassung des Gerichts weit hergeholt.
Die arbeitsrechtliche Position, insbesondere der Umfang der rechtlichen Pflichten, ist bei Chefärzten und Chefärztinnen wegen ihrer herausgehobenen Position im Krankenhaus häufig zwischen den Beteiligten streitig. Nach ständiger arbeitsrechtlicher Rechtsprechung ist stets danach zu unterscheiden, ob das konkrete Verhalten einen spezifischen Zusammenhang zur chefärztlichen Position hat. Diese Frage ist einzelfallbezogen zu beurteilen.
Gegen die Entscheidung ist Berufung beim Thüringischen Landesarbeitsgericht anhängig (Az. 3 Sa 20/24).
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