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AutorenbildDr. med. Inken Kunze

Befunderhebungsfehler nach groben Diagnosefehler

Beruht das Unterlassen der Erhebung weiterer Befunde darauf, dass der Arzt vorliegende Befunde falsch bewertet hat – also ein Diagnoseirrtum vorliegt – so ist die Bewertung des Unterlassens weiterer Befunderhebung als eigenständiger Befunderhebungsfehler jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn der zugrunde liegende Diagnoseirrtum fundamental, also grob behandlungsfehlerhaft war. Nach Auffassung des OLG München im Urteil vom 25.01.2024  (Az. 24 U 2058/22) entfalte der fundamentale Diagnoseirrtum keine Sperrwirkung mit Blick auf die Annahme eines Befunderhebungsfehlers.

Die Berufung der Beklagten gegen das Teil- und Grundurteil des Landgerichts Kempten wurde zurückgewiesen. Zugrunde lag eine Klage der gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegeversicherungen, mit der diese Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht gegen die beklagte Gynäkologin für Aufwendungen geltend gemacht hatten, die die Klägerinnen für das schwerst geschädigt zur Welt gekommene Kind erbracht hatten. Im Zentrum stand dabei der Vorwurf, die Beklagte habe ein CTG nach 20 Minuten beendet, obwohl dieses zu diesem Zeitpunkt Auffälligkeiten zeigte. Der Beklagten waren die Herztöne mit mehr als 25 Schlägen innerhalb 1 Minute zwar aufgefallen, sie hatte dies jedoch nicht als „suspekt“ angesehen. Gestützt auf die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen lag damit nicht nur ein (einfacher) Diagnoseirrtum, sondern ein fundamentaler Diagnoseirrtum im Sinne eines schweren Behandlungsfehlers vor, da es nach den in der einschlägigen AWMF-Leitlinie festgelegten Kriterien keinerlei Bewertungsspielraum gäbe, der es gestatten würde, ein CTG mit dieser Bandbreite in der Herzfrequenz als nicht suspekt einzustufen. Obwohl ein als einfacher Behandlungsfehler zu klassifizierender Diagnoseirrtum eine Sperrwirkung dergestalt entfalte, dass eine aufgrund des Diagnosefehlers unterlassene Befunderhebung nicht (zusätzlich) als (einfacher oder grober) Befunderhebungsfehler gewertet werden dürfe, entfalle diese Privilegierung nach Auffassung des Senats bei einem sogenannten fundamentalen Diagnoseirrtum, der als grober Behandlungsfehler einzustufen ist. Allerdings erfolgt für diese Bewertung im Urteil keine Begründung; der Verweis auf das Urteil des BGH vom 21.12.2010 – VI ZR 284/09 – geht fehl, da hier in Bezug auf eine Sperrwirkung oder ihren Wegfall nichts ausgeführt wird.

 

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