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  • AutorenbildDr. med. Inken Kunze

Aufklärung I: Umfang der Aufklärungspflicht vor einer Operation bei Krebsverdacht

Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 22.06.2016 (Az. 5 U 147/15) vor einer Operation nach Kausch-Whipple bei Krebsverdacht eine Aufklärungspflicht für den Fall eingeschränkt, dass sich der hochgradige Verdacht entgegen aller Erwartungen im Anschluss an die Operation nicht bestätigen würde. Der Senat sieht keine weitergehende Aufklärungspflicht darüber, wie vorzugehen sein würde, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt; dies gilt zumindest dann, wenn die geplante Operation nach Kausch-Whipple allein aufgrund des Verdachtes eines malignen Pankreastumors notwendig ist und unabhängig von der Frage, ob sich der Verdacht später bestätigen würde.

Die Klägerin war wegen des Verdachtes auf Pankreaskopfkarzinom operiert worden. Die nach Operationsende durchgeführte pathologisch-anatomische Untersuchung bestätigte den Verdacht auf Pankreaskarzinom indes nicht, es lag lediglich eine Pankreatitis vor. Die Klägerin behauptete, dass die Operation nicht indiziert gewesen sei, sie habe zudem in den Eingriff auch nicht eingewilligt. Ihr sei vor der Operation gesagt worden, dass eine umfangreiche Operation mit Entnahme der Bauchspeicheldrüse und weiteren Organteilen nur dann erfolgen würde, wenn sich der Krebsverdacht intraoperativ bestätigen würde. Insofern wäre sie nur unter diesen Bedingungen mit dem Eingriff einverstanden gewesen.

Der Senat bestätigte die Entscheidung des Landgerichtes, mit dem die Klage abgewiesen wurde. Der Senat sah die Aufklärung als ordnungsgemäß an, sie sei über Operationsindikation, Art, Umfang und Durchführung des Eingriffes einschließlich der Möglichkeit des Abbruches für den Fall, dass sich ein festzustellender Tumor als nichtoperabel darstellen würde, und über mögliche Risiken und Folgen des Eingriffes aufgeklärt worden. Hierbei sei ein Aufklärungsbogen verwendet worden, der handschriftlich ergänzt worden sei. Insbesondere sei auch der zusätzliche handschriftliche Vermerk eingetragen worden, dass über eine „Whipple-OP“ gesprochen worden sei. Dies stelle eine umfangreiche Operation mit Entfernung des Kopfteiles der Bauchspeicheldrüse einschließlich des Zwölffingerdarmes, der Einbindung der Gallenwege, der Gallenblase und eines Teiles des Magens dar. Die Klägerin habe indes nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass die geplante Operation in jedem Fall und auch dann erfolgen würde, wenn sich im Anschluss an die Operation nach weiteren histologischen Untersuchungen nur eine chronische Pankreatitis und kein bösartiger Tumor herausstellen sollte. Die aufklärende Ärztin als Zeugin habe die Klägerin darüber informiert, dass ein hochgradiger Verdacht auf Pankreastumor bestand und dass aus diesem Grund eine Operation der vorgenannten Art durchgeführt werden sollte; der Verlauf der Operation würde allein von der intraoperativ zu beantwortenden Frage abhängen, ob der Tumor operabel sein würde. Eine weitergehende Aufklärung der Klägerin darüber, wie vorzugehen sein würde, wenn sich der hochgradige Verdacht entgegen aller Erwartungen im Anschluss an die Operation nicht bestätigen würde, war entgegen der Behauptung der Klägerin nicht geschuldet. Vielmehr wusste die Klägerin, worauf sie sich einlässt, als sie der vorgesehenen Operation zustimmte. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergab sich aus dem handschriftlichen Eintrag auf dem Aufklärungsbogen „Explorative Laparotomie, Vorgehen nach Befund (…); Whipple-OP“ nicht, dass im geöffneten Bauchraum geprüft werden sollte, ob sich der Verdacht bestätige und erst dann über eine Operation nach Kausch-Whipple entschieden werde. Für die Frage, wie die Klägerin die Aufklärung verstehen konnte, kommt es nach Auffassung des Senates im Wesentlichen auf den Inhalt des Aufklärungsgespräches an und nicht auf die Eintragungen im Aufklärungsbogen. Die Klägerin trage darüber hinaus die Beweislast dafür, dass die Zeugin – die aufklärende Ärztin – ihr gegenüber unzutreffend geäußert habe, dass während der Operation die Frage des Vorliegens eines Pankreaskarzinoms abschließend geklärt werden könne. Es spreche aber nichts dafür, dass die Zeugin in irriger Weise davon ausging und ihr mitteilte, man könne das Vorliegen eines Pankreaskarzinoms durch eine histologische Schnelluntersuchung von intraoperativ entnommenem Gewebe der Bauchspeicheldrüse ausschließen. Die Zeugin sei zwar zum Zeitpunkt der Aufklärung mit 25 Jahren relativ jung und in ihrer Tätigkeit als Stationsärztin eine Berufsanfängerin. Der Aussage ließen sich aber keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sie derart irrig aufklärte. Auch die Tatsache, dass die Zeugin erst seit einigen Wochen auf der Station tätig war, spräche nicht hiergegen; insbesondere habe sie glaubhaft bekundet, dass sie in ihrer Eigenschaft als Stationsärztin fast täglich Aufklärungsgespräche geführt und auch schon zu der bei der Klägerin durchgeführten Operation zuvor einmal eine Aufklärung gemacht habe.

Bei der Bewertung der Glaubhaftigkeit der Aussage der ärztlichen Zeugin sei insofern zu fragen, ob der von ihr dargestellte Sachverhalt plausibel ist. Es würden allerdings keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Zeugin im Rahmen des Aufklärungsgespräches wissentlich etwas medizinisch Unzutreffendes gesagt habe. Sofern es bei der Klägerin zu dem Missverständnis gekommen sein könnte, dass mittels Stanzbiopsie intraoperativ das Vorliegen eines Karzinoms bestätigt und ausgeschlossen werden könne, so sei dies nicht zu klären. Es sei nicht ersichtlich, dass die Zeugin als ein solches Missverständnis in irgendeiner Weise schuldhaft hervorgerufen habe. Auf die Frage einer hypothetischen Einwilligung bzw. ein Entscheidungskonflikt komme es insofern nicht mehr entscheidend an. Im Übrigen habe die Klägerin allerdings einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel machen können. Es habe ein hochgradiger Verdacht auf Vorliegen eines Pankreaskarzinoms bestanden, welches sehr geringe Überlebenschancen nach fünf Jahren von nur 8 % aufweise; im Falle einer frühzeitigen Diagnose könne sich diese Überlebensrate auf bis zu 50 % erhöhen. Da allerdings die präoperative Befunderhebung gerade den hochgradigen Verdacht auf Vorliegen des Pankreaskarzinom ergeben hatte und Sicherheit nur durch die streitgegenständliche Operation zu gewinnen war, erschien die Argumentation der Klägerin nicht überzeugend.

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