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  • AutorenbildDr. med. Inken Kunze

Zurücklassen eines Bauchtuchs im Darm – voll beherrschbarer Gefahrenbereich?

Mit der Frage, unter welchen Umständen das Zurücklassen eines Bauchtuchs im Darm eines Patienten dem vollbeherrschbaren Gefahrenbereich eines Krankenhauses zuzuordnen ist und wann sowie in welcher Form eine (weitere) Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu erfolgen hat, hat sich das Oberlandesgericht Dresden in seinem Berufungsurteil vom 07.07.2020 (Az. 4 U 352/20) beschäftigt. Der Kläger war in der Klinik der Beklagten am 29.09.2017 aufgrund eines Adenokarzinoms des Rektums operiert worden. Das Karzinom wurde durch eine Rektosigmoidresektion entfernt. Sieben Monate später wurde bei einem wegen Verdachts auf Darmverschluss notfallmäßig durchgeführten CT des Bauchraums und Operation aus der Darmlichtung des Colon sigmoideum ein 25 cm großes, zusammengepresstes grünes Bauchtuch entfernt. Die Beklagte bestritt den Verbleib des Bauchtuchs seit der Operation im September 2017. Aufgrund der durchgeführten Zählkontrolle, des Fehlens einer sonst üblicherweise angehakten Kocherklemme, der postoperativen monatelangen beschwerdefreien Zeit wie auch des Ergebnisses der histologischen Untersuchung des Tuches, welche keine Fibrinbeläge und Zellinfiltrationen als Nachweis eines längeren Verbleibs im Darm erbrachte, müsse eher davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger das Tuch selbst peranal eingebracht habe. Das Berufungsgericht hob mit seinem Urteil auf die Berufung des Klägers das klageabweisende Urteil des Landgerichts Leipzig auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das erstinstanzliche Gericht. Es sei kein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt und die an die Klägerseite zu stellenden Anforderungen überspannt worden, was den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Das Gericht dürfe den medizinischen Sorgfaltsmaßstab nicht ohne gutachterliche Beratung festlegen. Zudem streite bereits der Beweis des ersten Anscheins zugunsten des Klägers – die im selben Bereich des Darms durchgeführte Operation und der engere zeitliche Zusammenhang zwischen Operation und Auffinden eines offensichtlich aus einer Operation stammenden Bauchtuchs. Die Beklagte könne sich nicht ohne weiteres mit dem Pathologiebericht entlasten, zumal der Kläger entgegen der Annahme des Pathologen vorgetragen hatte, dass es üblich sei, bei einer derartigen Operation aufgrund der zu fertigenden Anastomose auch in der Darmlichtung Bauchtücher zu verwenden. Sachverständig zu untersuchen sei die Frage, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit das spätere Auffinden des Tuches im Zusammenhang mit der vorherigen Operation stehen könne – dies unter Berücksichtigung der genauen Operationsmodalitäten, des weiteren Beschwerdeverlaufs wie auch der vorliegenden (histopathologischen) Untersuchung des Tuches, welche der Sachverständige aber selbst auch noch einmal vorzunehmen habe. Sollte sich erweisen, dass das Bauchtuch aus der Operation aus September 2017 stamme, müsse geklärt werden, ob sich das versehentliche Zurücklassen als ein – gegebenenfalls auch grober – Behandlungsfehler darstelle. Hinsichtlich der Zuordnung des Zurücklassens eines Fremdkörpers zum voll beherrschbaren Bereich des Arztes oder der Klinik mit der Folge der Darlegungs- und Beweislast der Klinik für die Gewähr einwandfreier Voraussetzungen für eine sachgemäße und gefahrlose Behandlung komme es darauf an, ob die Klinik die üblichen und notwendigen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen habe, um das Risiko zu vermeiden. Außerachtlassen zumutbarer Sicherheitsvorkehrungen wie Kennzeichnung oder Markierung, Zählen der verwendeten Materialien und andere können einen groben Behandlungsfehler begründen. Unabhängig davon läge hier – nach einer aus medizinrechtlicher Sicht der Verfasserin dieses Beitrags nicht ganz nachvollziehbaren Auffassung des Senats – jedenfalls bereits jetzt konkret ein Dokumentationsfehler vor, da sich die Dokumentation der Zählkontrolle nicht auf eine pauschale Kurzbestätigung beschränken dürfe (Zählkontrolle als durchgeführt im Operationsprotokoll abgehakt), sondern die einzelnen zu zählenden Gegenstände vor und nach der Operation zahlenmäßig aufgeführt und die Bestätigung enthalten müsse, dass beide Zahlenwerte übereinstimmen. Nur so könne die aus medizinischen Gründen bestehende Dokumentationspflicht den Zweck der notwendigen Zählkontrolle erfüllen; der bestehende Dokumentationsmangel indiziere, dass die gebotene Maßnahme unterblieben sei.

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