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  • AutorenbildDr. med. Inken Kunze

Umfang des haftungsrechtlich relevanten Primärschadens

Der haftungsrechtliche Primärschaden besteht nach Auffassung des OLG Oldenburg nicht nur in der Fortdauer des krankhaften Zustandes, der Anlass für die inkriminierte Behandlung gegeben hat (hier: Gefäßenge infolge einer Vaskulitis), sondern umfasse auch die zeitlich folgende nächste organische Schädigung (hier: Untergang von Nervenzellen infolge der Gefäßenge), so dass sich die Beweislastumkehr auch auf diesen Schaden erstrecke. Darüber hinaus sei der nach § 630h Abs. 5 BGB der Behandlerseite obliegende Beweis mangelnder Ursächlichkeit erst dann geführt, wenn sich die Kausalität als allenfalls theoretischer Zusammenhang darstelle und nicht im Sinne einer realen Möglichkeit greifbar sei. Mit Urteil vom 07.02.2024 (Az. 5 U 33/23) hob der Oldenburger Senat das vorangehende Urteil des Landgerichts Osnabrück auf, stellte die Einstandspflicht der Beklagten und die grundsätzliche Rechtfertigung der Klage fest und verwies das Verfahren zurück an das erstinstanzliche Gericht.

Bei dem seinerzeit 5jährigen Kläger war ein Hirninfarkt aufgetreten. Die ursprüngliche Verdachtsdiagnose eines epileptischen Anfalls sei nach den erstinstanzlichen Feststellungen zwar gerechtfertigt gewesen, nach dem Wach-EEG, das keine epilepsietypischen Potentiale gezeigt hatte, sei es jedoch grob fehlerhaft versäumt worden, unmittelbar ein MRT zu veranlassen. Das erst nahezu acht Stunden später durchgeführte MRT habe den Verdacht auf einen Hirninfarkt ergeben, die sich anschließende Angiographie diesen Verdacht auf der Grundlage einer Vaskulitis verstärkt. Hemiparese, Spasmus und Dystonie seien als Dauerschäden verblieben, nach Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts sei es allerdings nicht als erwiesen anzusehen, dass die Schäden durch die Verzögerung verursacht wurden.

Ein grober Behandlungsfehler in Bezug auf die verspätete Durchführung des MRT war von den Parteien nicht in Zweifel gezogen worden. Anders als jedoch das Landgericht befand der OLG-Senat den Primärschaden nicht im bloßen Fortbestehen des Schlaganfalls über mehrere Stunden. Vielmehr sei darauf abzustellen, inwiefern die unterbliebene Behandlung eines krankhaften Zustandes zu einer weiteren, über den unbehandelten Zustand hinausgehende Schädigung des Patienten geführt habe. Medizinisch allerdings durchaus zweifelhaft kommt der Senat zu dem Ergebnis, die Vaskulitis mit der daraus folgenden Arterienverengung stelle die zu behandelnde Grunderkrankung dar, die Ischämie mit Gewebeuntergang die zeitlich nächste organische Schädigung. Der Primärschaden sei daher im Untergang des Gewebes infolge der durch die Gefäßenge verursachten Minderversorgung zu sehen, mithin die organische Schädigung des Gehirns, deren typische Folgen jene Einschränkungen seien, die der Kläger auch heute noch beklage – Hemiparese, Spasmen, Dystonie –, auf die sich daher die Beweislastumkehr ebenfalls erstrecke. Die Beklagte hätten insofern den Beweis der mangelnden Ursächlichkeit führen müssen. Hierzu hatte der Sachverständige jedoch nicht ausschließen können, dass das Outcome des Klägers besser gewesen wäre, hätte die Behandlung acht Stunden früher eingesetzt. Über Art und Ausmaß der Schadensfolge müsse nunmehr im Rahmen des zurückverwiesenen Verfahrens Beweis erhoben werden.

 

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