200.000,- Euro Schmerzensgeld für vollständigen Verlust des Geruchssinnes und Frontalhirnsyndrom nac
Das Oberlandesgericht Köln hat mit Urteil vom 13.04.2016 (Az. 5 U 107/15) einem Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von 200.000,- Euro für eine grob fehlerhafte Behandlung mit der Folge einer Schädelbasisverletzung mit nachfolgendem mittelgradigem Frontalhirnsyndrom zuerkannt. Der Kläger hatte an Nasenatmungsbehinderungen, chronischer Nasennebenhöhlenentzündung und einer beidseitigen Riechstörung gelitten, als er sich in die Behandlung des Beklagten zu 2), einem niedergelassenem Facharzt für HNO-Kunde begab. Dieser empfahl die Begradigung der Nasenscheidenwand und – dies blieb streitig – auch einen Eingriff im Bereich der Nasennebenhöhlen. Anlässlich der Operation mit Korrektur der Nasenscheidewandverbiegung, einer Behandlung der unteren Nasenmuschel und einem Eingriff im Bereich der Nasennebenhöhlen kam es postoperativ zu radiologisch gesicherten Anzeichen einer Einblutung in das Gehirn, weswegen eine Verlegung in die neurochirurgische Universitätsklinik erfolgte. Dort wurde anlässlich der 8 Tage später durchgeführten Operation eine Verletzung der Schädelbasis im hinteren Abschnitt des Siebbeindaches auf einer Strecke von 1 cm x 2 cm festgestellt. Das erstinstanzliche Gericht hatte – sachverständig beraten – ein Schmerzensgeld in Höhe von 75.000,- Euro bei groben Behandlungsfehler zuerkannt. Die Verletzung der Schädelbasis sei in einem Bereich aufgetreten, der durch die Operation normalerweise nicht tangiert werde. Aus dem Behandlungsfehler seien eine irreversible Riechstörung, eine verminderte allgemeine Reaktionsfähigkeit, eine Einschränkung der Daueraufmerksamkeitsleistung sowie Orientierungsschwierigkeiten und eine hirnorganische Wesensveränderung resultiert. Der Kläger hatte gegen die erstinstanzliche Entscheidung Berufung eingelegt und begehrte ein höheres Schmerzensgeld mit der Begründung, dass die bei ihm aufgetretenen Beeinträchtigungen wesentlich gravierender seien als durch das bereits zuerkannte Schmerzensgeld kompensiert werde. Das Oberlandesgericht Köln ist nach erneuter Anhörung des Klägers und der Zeugin der Berufung des Klägers gefolgt. Da die Bewertung als einfacher Behandlungsfehler von Seiten des Beklagten HNO-Arztes nicht mehr in Abrede gestellt wurde, wurde die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 200.000,- Euro als angemessen erachtet. Der Senat hielt es für erwiesen, dass aufgrund der Schädelbasisverletzung ein mittelgradig ausgeprägtes Frontalhirnsyndrom entstanden ist mit mittelgradiger psychomotorischer Verlangsamung, einer erheblichen Verminderung des Antriebes, einer leichtgradigen Depression, einer Affektminderung bis hin zur Affektnivellierung, einer räumlichen Orientierungsstörung leichten Grades, einem verminderten Selbstwertgefühl, Unentschlossenheit, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, insbesondere im Hinblick auf Daueraufmerksamkeitsleistungen sowie Libidoverlust. Darüber hinaus sei es zu einem irreversiblen Verlust des Riechvermögens gekommen aufgrund der Zerreißung der Riechfasern. Da die haftungsbegründende Kausalität als bewiesen angesehen wurde, kam es auf die Frage eines zur Beweislastumkehr führenden groben Behandlungsfehlers zwar nicht mehr an, gleichwohl betonte der Senat in den Entscheidungsgründen, dass auch nach seiner Auffassung ein grober Behandlungsfehler vorliege, da der betroffene Bereich des Siebbeines besonders dünn und verletzlich sei und der Arzt hier nur unter Anwendung äußerster Sorgfalt, mit größter Vorsicht und nur bei absoluter Notwendigkeit mit größter Zurückhaltung operieren dürfe. Die Operation dürfe dort auch nur dann vorgenommen werden, wenn die Maßnahmen zurückhaltend und unter guten Sichtverhältnissen durchgeführt werden und nicht medial der Landmarke der mittleren Muschel erfolgten bzw. dort nur im Ausnahmefall unter ganz besonders günstigen Bedingungen. Umstände, weswegen die Vorgehensweise des Beklagten noch verständlich erscheinen könnte, seien nicht erkennbar. Sollten tatsächlich erschwerte Bedingungen durch eine Blutung aufgetreten sein, so hätte dies erst Recht Veranlassung gegeben, besonders sorgfältig vorzugehen und notfalls die Operation abzubrechen.
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