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AutorenbildDr. med. Inken Kunze

Erneut 800.000,- € Schmerzensgeld – bei schwerster und dauerhafter Schädigung in jungen Jahren

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 18.03.2020 (Az. 5 U 196/18) das einem zum Schadenszeitpunkt 5-jährigen Jungen vom erstinstanzlichen Gericht (Landgericht Aurich) zuerkannte Schmerzensgeld i.H.v. 800.000,- € bestätigt und die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen. Bereits mit rechtskräftigem Grundurteil vom 21.10.2013 war der Vorwurf eines groben Behandlungsfehlers bestätigt worden, weil der zuständige Pfleger im Krankenhaus der Beklagten den Zustand des am Nachmittag des Vortages mit Krankenwagen unter Fieber und Schüttelfrost eingelieferten Klägers in der darauffolgenden Nacht zwischen 3:00 Uhr und 4:00 Uhr trotz entsprechender Hinweise der Mutter ignorierte, trotz erkennbarer hämorrhagischer Nekrosen keinen Arzt hinzuzog und es auch versäumte, eine vom Kläger gezogene Braunüle neu zu legen. Der durch Fieber und wiederholtes Erbrechen dehydrierte Kläger erhielt daher über mehrere Stunden keine Flüssigkeit; die bei ihm vorliegende Meningokokkensepsis und ein Waterhouse-Friedrichs-Syndrom (WFS) mit Purpura fulminans wurden daher erst mit Schichtwechsel um 7:00 Uhr erkannt und einer intensivmedizinischen Behandlung zugeführt. Es bedurfte einer mehrwöchigen, lebensrettenden Akutversorgung der Sepsis mit anschließender Versorgung der Nekrosen und einer Gangrän an beiden Unterschenkeln über mehrere Monate; die Unterschenkel mussten schließlich amputiert werden. In der Folge mussten die Strümpfe allein bis zur Entscheidung des Gerichtes 16 mal operativ revidiert werden, zudem mussten bereits 7 Korrekturoperationen der vernarbten Haut und bis zum Abschluss des Körperwachstums müssen ca. 20-50 weitere solche Eingriffe vorgenommen werden. Der Kläger musste dreieinhalb Jahre einen Ganzkörperkompressionsanzug mit Gesichtsmaske für 22,5 Stunden täglich tragen, er kann sich bislang außerhalb des Hauses nur mit Rollstuhl fortbewegen, im Haus auf Silikonkurzprothesen der anderweitig noch nicht versorgten Beinstümpfe. Der Senat wandte sich gegen die vom OLG Frankfurt (Urteil vom 18.10.2018, Az. 22 U 97/16) favorisierte Methode der taggenauen Berechnung des Schmerzensgeldes (unter Bezugnahme auf Schwintowski/ Schah Sedi, Handbuch Schmerzensgeld, Köln 2013); es gäbe insofern keinen angemessenen Betrag im Sinne einer a priori feststehenden absoluten Summe, die vom Gericht nur im Sinne eines arithmetischen Rechenvorgangs ermittelt werden müsse. Vielmehr sei der herkömmliche Weg weiterhin vorzugswürdig, die maßgeblichen Gesichtspunkte des Einzelfalles herauszuarbeiten und sie dann in einer Gesamtabwägung unter Beachtung des Systems vergleichbarer Gerichtsentscheidungen zu bewerten. Durch diesen Vergleich finde eine nach der herkömmlichen Methode gewonnene Bewertung auch ihre innere Rechtfertigung, die bei der Anwendung der Sätze nach Schwintowski/Schah Sedi fehle, da die Grundlage zur Berechnung der Tagessätze bislang auch willkürlich gewählt sei. In dem vorliegenden Fall hätte der Senat zwar eine monatliche Schmerzensgeldrente für vorzugswürdig erachtet anstelle des zuerkannten, im Ergebnis aber angemessenen Kapitalbetrags von 800.000,- €. Unter Heranziehung verschiedener Referenzentscheidungen begründete der Senat jedoch die Höhe des Schmerzensgeldes auch ohne Vorliegen eines Hirnschadens mit Persönlichkeitsverlust gerade dadurch, dass der Kläger unter Dauerschäden leidet, die ihn in erheblichem Maße und über eine sehr lange weitere Lebenszeit beeinträchtigen werden, dauerhafte Behandlungen und eine Vielzahl weiterer Operationen notwendig machen und auch zu erheblichen psychischen Folgen geführt haben und absehbar noch führen werden. [if !supportLineBreakNewLine] [endif]

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