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  • AutorenbildDr. med. Inken Kunze

BGH: Verbrennungen durch atypischen Stromfluss bei Operation als vollbeherrschbares Risiko

Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 26.09.2017 (Az. VI ZR 529/16) auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers das vorangegangene Urteil des Oberlandesgericht Hamm aufgehoben und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Bei dem Kläger war es anlässlich der Durchführung einer Prostataoperation unter Verwendung eines Hochfrequenzgerätes (Elektrokauter) postoperativ zur Rötung mit Blasenbildung auf beiden Gesäßhälften und nachfolgend nekrotisierender Fasziitis gekommen. Er hatte klageweise geltend gemacht, dass die Lagerung und/oder die Durchführung der Operation mit dem Hochfrequenzgerät fehlerhaft gewesen sei, bei ordnungsgemäßer Lagerung und Anwendung des Gerätes sei eine Läsion, wie sie bei ihm auftrat, ausgeschlossen. Über das Risiko einer intraoperativen Verbrennung sei er zudem nicht aufgeklärt worden. Das Landgericht hatte die Klage in Ermangelung der Feststellung eines Behandlungsfehlers abgewiesen, auch unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen sei es möglich, dass sich während der Operation durch Schwitzen des Patienten Flüssigkeitsansammlungen unter ihm bildeten, die dann zu erheblichen Verbrennungen führen könnten, wenn über diese Flüssigkeitsansammlung ein Kontakt zum leitfähigen Operationstisch hergestellt werde. Nach dem sterilen Abdecken des Operationsfeldes könne der Operateur nicht mehr kontrollieren, ob zwischen Operationstisch und Patienten Flüssigkeitsansammlungen vorhanden seien. Das Oberlandesgericht hat in Ermangelung der Feststellung eines Behandlungsfehlers, insbesondere in Ermangelung eines Nachweises einer fehlerhaften Lagerung die Berufung zurückgewiesen. Eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen des vollbeherrschbaren Risikos sei nicht gerechtfertigt, da es sich nicht um vollbeherrschbare Abläufe handele, wenn sich noch während der Operation leitfähige Feuchtigkeit durch unbemerkt am Körper langlaufende Spülflüssigkeit oder Schwitzen bilden könne. Es fehle an einer diesbezüglichen Kontrollmöglichkeit im Hinblick auf eine Feuchtigkeitsansammlung unter der Abdeckung. Der 6. Senat des Bundesgerichtshof stellte eine Verletzung des Anspruches auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Artikel 103 Abs. 1 GG fest, da der wesentliche Kern des Tatsachenvortrages des Klägers in den Entscheidungsgründen nicht berücksichtigt worden sei. Der Kläger habe von Anbeginn des Klageverfahrens und auch im Rahmen der Berufungsbegründung den Vorwurf aufgegriffen, er habe aufgrund von unsachgemäßer Lagerung Verbrennungen davon getragen, dies gestützt durch die Angaben des medizintechnischen Sachverständigen, wonach ein ungewollter Stromabfluss aus dem Körper des Patienten bei der Anwendung monopolarer HF-Chirurgie nur bei nichtordnungsgemäßer Lagerung des Patienten zustande kommen könne. Dies sei gegeben in Fällen, in denen der Patient Körperkontakt zu elektrisch leitfähigen geerdeten Teilen, entweder direkt oder indirekt über feuchtes Material habe. Der urologische Sachverständige habe seinerseits angegeben, dass nach Auskunft des Sicherheitsingenieurs in seinem Hause eine Schädigung des Patienten nicht möglich sei, so lange keine leitfähige Verbindung des Patienten zum Operationstisch und keine Ableitung von Strom erfolge. Der Patient werde durch eine isolierende Gel-Matte und Tüchern auf dem hochleitfähigen Tisch geschützt. Physikalisch müsse hier demnach ein Strom geflossen und durch das Laken in den Tisch abgeleitet worden sein, der die Erdung darstelle. Nach Auffassung des Senates liege bei dieser Sachlage die Annahme nahe, das die vom Berufungsgericht als eine mögliche Schädigungsursache angenommene Verbrennung des Klägers sicher hätte vermieden werden können, wenn er auf einer dauerhaft nicht leitfähigen, d. h. auch nach dem Verbleib von Spülflüssigkeit oder dem intraoperativen Austritt von Körperflüssigkeiten wie Schweiß nicht leitfähiger Unterlage gelagert worden wäre. Die Frage hätte vom Berufungsgericht aufgeklärt werden müssen, da sich solchenfalls ein Risiko verwirklicht hätte, das von der Behandlerseite voll hätte beherrscht werden können und müssen mit der Folge, dass sie hätte beweisen müssen, alle erforderliche organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen zu haben, um dieses Risiko zu vermeiden (unter Hinweis auf Senatsbeschluss vom 16.08.2016, Az. VI ZR 634/15). Unerheblich sei, dass Feuchtigkeitsansammlungen unter dem Patienten während der Operation nicht festgestellt werden können, wenn das Risiko von Verbrennungen durch atypischen Stromfluss bereits dadurch verhindert werde, dass der Patient auf einer dauerhaft nicht leitfähig bleibenden Unterlagen gelagert wird. Darüber hinaus habe sich das Berufungsgericht fehlerhaft nicht mit der Frage befasst, ob für den Fall, dass Ursache der Schädigung des Klägers keine Verbrennung, sondern eine fehlerhafte Lagerung im engeren Sinne sei, eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen des objektiv beherrschbaren Risikos in Betracht komme. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass nach Operationen entstandene Lagerungsschäden grundsätzlich als vollbeherrschbar gelten, mit der Folge, dass sich die Behandlungsseite von der Fehlervermutung entlassen müsse (unter Hinweis auf die Senatsurteile u.a. vom 24.01.1984, Az. VI ZR 203/82, 24.01.1995, Az. VI ZR 60/94 und Beschluss vom 20.09.2011, Az. VI ZR 5/11). Dem Risikobereich des Krankenhauses und dem ärztlichen Bereich zu zuordnen und damit vollbeherrschbar seien die technisch richtige Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch und die Beachtung der dabei zum Schutz des Patienten vor etwaigen Lagerungsschäden einzuhaltenden ärztlichen Maßnahmen. Risikofaktoren, die sich z. B. aus der körperlichen Konstitution des Patienten ergeben, seien ärztlicherseits einzuplanen und dementsprechend auszuschalten; eine Ausnahme bestehe nur, wenn bei einem Patienten eine ärztlicherseits nicht im Voraus erkennbare und mit vertretbarem Aufwand nicht vorab aufdeckbare seltene körperliche Anomalie vorliege.

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