BGH – Nichtbescheidung wesentlichen Patientenvortrags in der gerichtlichen Entscheidung
Bescheidet das Gericht wesentlichen Patientenvortrag in der gerichtlichen Entscheidung nicht, liegt eine Gehörsverletzung vor. Zwar wies der BGH in seinem Beschluss vom 16.08.2022 – VI ZR 342/21 – auch darauf hin, dass ein Gericht nicht verpflichtet sei, sich mit jedem Vorbringen einer Partei ausdrücklich auseinanderzusetzen. Allerdings verpflichte das Gebot rechtlichen Gehörs das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und, soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft, in den Gründen zu bescheiden. An diesen Voraussetzungen fehle es, wenn die Patientin ausdrücklich eine Passage im Aufklärungsbogen als fehlerhaft beanstandet, wonach es nur „selten“ zur schweren bleibenden Störungen komme, obwohl in ihrem konkreten Fall der Gerichtssachverständige ausgeführt hatte, dass diese Operationen per se mit einer sehr hohen Morbidität vergesellschaftet seien und in einer Studie 20 % der operierten Patienten schwere und 30 % der Patienten moderate neurologische Defizite zeigten. Diese Daten belegten, dass trotz sorgfältigster präoperative Diagnostik vaskuläre Komplikationen im Rahmen einer solchen komplexen Operation nicht nur nicht vermeidbar seien, sondern sogar mit einer Häufigkeit von bis zu 50 % – bei der Patientin wegen der starken Durchblutung eines Tumors und dessen Verzahnung mit dem Hirngewebe sogar noch erheblich erhöht – angegeben würden. Befasse sich das Gericht mit der Bewertung des Risikos schwerer bleibender Störungen als „selten“ und (aller) Komplikationsmöglichkeiten als „Ausnahme“ im Aufklärungsbogen trotz der sachverständigen Ausführungen und der Beanstandungen der Patientin nicht, so liege eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor.
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