BGH: Abgrenzung Erstversorgung und besondere Heilbehandlung durch D-Arzt
In Fortführung eines Senatsurteils vom 29.11.2016 hat sich der BGH nun konkretisierend zum Begriff der Erstversorgung durch den Durchgangsarzt und zur Bedeutung der Eintragungen im Durchgangsarztbericht bei der Bestimmung der Passivlegitimation geäußert. Mit Urteil vom 30.07.2024 (Az. VI ZR 115/22) bekräftigte der BGH-Senat zwar, dass die „Erstversorgung“ durch den Durchgangsarzt der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des D-Arztes zuzuordnen sei. Neben der vom D-Arzt zu treffenden Entscheidung, ob die allgemeine oder die besondere Heilbehandlung erforderlich ist, der hierfür erforderlichen Diagnosestellung sowie der dafür notwendigen Untersuchungen werde der Durchgangsarzt regelmäßig in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ der Heilbehandlung auch als Erstversorger tätig. Da die Tätigkeiten ineinander übergehen, nicht sinnvoll auseinander gehalten werden können und auch aus Sicht des Geschädigten einen einheitlichen Lebensvorgang darstellten, der haftungsrechtlich nicht in unterschiedliche Tätigkeitsbereiche aufgespaltet werden könne, seien Behandlungsfehler im Rahmen der Erstversorgung auch der Berufsgenossenschaft zuzuordnen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts (hier: OLG München) komme jedoch den Eintragungen des Arztes im Durchgangsarztbericht für die Qualifizierung der Maßnahme als Erstversorgung keine maßgebliche Bedeutung zu. Grundsätzlich erfolge die Erstversorgung vor der Entscheidung über die Art der Heilbehandlung und umfassten Tätigkeiten wie Wundversorgung, Verbände und Injektionen. Auch eine Notfalloperation könne Erstversorgung sein, wenn sie unaufschiebbar ist und die objektive Eilbedürftigkeit den D-Arzt zeitlich dazu nötigt, die Operation vor einer ausreichend vorbereiteten und überlegten Entscheidung über die Frage, ob eine allgemeine oder eine besondere Heilbehandlung erforderlich ist, vorzunehmen. Auch wenn der Durchgangsarzt wie im streitgegenständlichen Fall im D-Arztbericht unter „Art der Erstversorgung“ die bei der achtjährigen Klägerin nach Sturz auf das Handgelenk durchgeführte geschlossene Reposition der distalen Unterarmfraktur mit K-Draht-Osteosynthese aufführte, so handelte es sich nach Maßgabe des 6. Senats des BGH nicht mehr um eine Erstversorgung. Hierfür spreche bereits, dass Zeit für ein Aufklärungsgespräch unter Heranziehung des Aufklärungsbogens zur operativen Knochenbruchbehandlung war und die Operation nur zur Minimierung der psychischen Belastung des verletzten Kindes zeitnah erfolgte. Tatsächlich waren daher Operation und Aufklärung der besonderen Heilbehandlung zuzuordnen.
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