Vertrauensgrundsatz bei horizontaler Arbeitsteilung zwischen einem Orthopäden und einem Radiologen
Die Klägerin war bei einer Wirbelsäulenerkrankung mit vier Pedikelschrauben im Lendenwirbelbereich versorgt worden. Nach einem Sturz stellte sie sich dann bei dem Beklagten als Facharzt für Orthopädie vor. Der Beklagte veranlasste eine radiologische Untersuchung bei dem Streithelfer, einem Facharzt für Radiologie. Dieser stellte in seinem Befundbericht fest, dass Frakturen oder Beschädigungen der Pedikelschrauben nicht vorlägen. Dieser Meinung schloss sich der Beklagte in seinem orthopädischen Befundbericht an. Er erstellte die Diagnose einer Lumboischialgie. Rund 14 Monate später stellte sich die Klägerin mit gleichbleibenden Beschwerden bei dem Beklagten vor, es wurde erneut eine Röntgenuntersuchung bei dem Streithelfer durchgeführt. Dieser stellte einen identischen Befund zur Erstuntersuchung fest. Der Beklagte schloss sich dem Befund abermals an und verordnete Physiotherapie. Weitere fünf Monate später musste bei der Klägerin dann eine gebrochene Pedikelschraube entfernt werden. Die Klägerin hielt dem Beklagten vor, dass dieser den Schraubenbruch bereits im Rahmen der Erstvorstellung auf den Röntgenbildern hätte diagnostizieren müssen. Spätestens im Rahmen der Zweitvorstellung hätte eine Computertomographie angefertigt werden müssen. Der Beklagte verwies auf den Vertrauensgrundsatz im Rahmen der horizontalen Arbeitsteilung, dementsprechend habe er auf die Befundung durch den Radiologen vertrauen dürfen. Das vorbefasste Landgericht hat die Klage abgewiesen und diesbezüglich darauf verwiesen, dass sich der Beklagte auf die Diagnose des Streithelfers habe verlassen dürfen. Darüber hinaus läge nur ein Diagnoseirrtum vor. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 16.07.2019 (Az. 9 8 U 59/17) die Berufung der Klägerin ebenfalls zurückgewiesen. Der Senat begründet seine Entscheidung dahingehend, dass der Beklagte als Orthopäde sich auf die Befundung durch den Streithelfer als Radiologen habe verlassen dürfen. Hinweise dafür, dass die Befundung durch den Streithelfer falsch oder unplausibel gewesen sei, hätten nicht vorgelegen, insbesondere hätte der klinische Untersuchung nicht auf einen anderen Befund hingewiesen, da die klinische Situation der Klägerin unauffällig gewesen sei. Bereits aus diesem Grund durfte der Beklagte auf die Befundung durch den Radiologen vertrauen. Nur für den Fall, dass sich klinisch der Verdacht für einen Schraubenbruch aufgedrängt hätte, hätte der Beklagte den Befund hinterfragen müssen. Ergänzend führte der Senat aus, dass, soweit die Sachverständige auf den primären Röntgenbildern Hinweise für einen Bruch der Pedikelschraube festgestellt habe, es darauf nicht ankomme. Die Sachverständige hatte angegeben, dass sie aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz gegebenenfalls mehr sehe als ihre Kollegen, gefordert sei jedoch, so der Senat, nur der Facharztstandard, nicht der Standard einer erfahrenen, hochkompetenten ärztlichen Direktorin an einem Universitätsklinikum. Insofern lag auch diesbezüglich keine Unterschreitung des Facharztstandards vor.