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  • AutorenbildDr. med. Inken Kunze

Verkehrssicherungspflichten II: Ergotherapie

Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner Entscheidung vom 08.02.2017 (Az. 5 U 17/16) die Haftung eines Ergotherapeuten für eine Fraktur des linken Oberschenkelknochens eines motorisch retardierten Kindes verneint, die aufgrund des Sturzes von einem sogenannten „Kletterberg“ anlässlich der Ergotherapie aufgetreten war. Weder konnte eine Pflichtverletzung i.S. der Nichtbeachtung ergotherapeutischer Standards, noch eine Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten festgestellt werden. Eine Pflichtverletzung wurde nicht als erwiesen angesehen, da der Kletterberg nicht nachweislich in einer die Klägerin überfordernden und damit gefährdenden Weise aufgebaut und damit ein für sie ungeeignetes Therapiemittel gewesen wäre. Ein Kletterberg mit aufeinandergeschichteten Sitzsäcken sei grundsätzlich ein geeignetes Therapiemittel für ein Kind mit motorischen Defiziten, wie es die Klägerin war. Die tatsächliche Anordnung des Kletterberges in der Höhe von ca. 1 m sei unbedenklich gewesen, auch die Art der Anordnung der Sitzkissen und das Material der Sitzkissen seien nicht zu beanstanden. Die Klägerin trage die Beweislast eines Behandlungsfehlers oder der Verletzung allgemeiner Verkehrssicherungspflichten. Die Behauptungen der Klägerin zum Aufbau des Kletterberges seien nicht als erwiesen anzusehen, eine Beweislastumkehr nach den Grundsätzen des vollbeherrschbaren Risikos komme der Klägerin nicht zu. Die Konstellation eines vollbeherrschbaren Risikos in Bezug auf die durchgeführte Übung am Kletterberg läge nicht vor, da bei Aufbau und therapeutisch sinnvollem Nutzen des Kletterberges nicht jegliche Gefahr einer Verletzung ausgeschlossen werden könne. Der Kletterberg werde gerade zum Erreichen des Therapieziels, nämlich der Förderung der motorischen Fähigkeiten eingesetzt und beinhalte auch, dass sich das Kind eigenständig auf dem Kletterberg bewege. Ein ständiges Halten und Führen durch den Behandler laufe diesem Therapieziel zuwider. Daher sei aber bei sinnvoller Durchführung der Kletterübung nicht vollständig zu vermeiden, dass das Kind beim Klettern das Gleichgewicht verliert oder in den Kissen hängen bleibt und daher stürzt. Dementsprechend sei ein damit einhergehendes Verletzungsrisiko nicht vollständig auszuschließen, selbst wenn sich der Therapeut in nächster Nähe des Kindes aufhält, um es notfalls abfangen zu können. Selbst bei bestmöglicher Reaktion eines Therapeuten sei nicht sicher auszuschließen, dass ein Abfangen misslingt oder sich das Kind sogar beim Abfangen durch den Therapeuten eine andere Verletzung, beispielsweise durch Auskugeln der Schulter zuzieht. Die letztendlich nicht zu steuernde Bewegung des Kindes mache es unmöglich für den Therapeuten, eine Verletzung vollständig auszuschließen, so dass das Risiko eines Sturzes auch nicht voll beherrschbar sei. In Ermangelung des Vorliegens eines vollbeherrschbaren Risikos müsse die Klägerin beweisen, dass der Kletterberg in seiner konkreten Ausgestaltung für sie ungeeignet war. Dieser Beweis hat von der Klägerin nicht geführt werden können. Die von der Klägerin behauptete Variante des Aufbaus des Kletterberges hätte im Übrigen keinen zusätzlichen therapeutischen Nutzen gehabt, so dass dies zusammen mit den widersprüchlichen Aussagen der Mutter den Beweis nicht habe führen können. Auch lasse sich aus der Art des Sturzes keinen Rückschluss auf die Höhe und den Aufbau des Kletterberges ziehen. Auch unter Berücksichtigung der motorischen Defizite der Klägerin, ihres Alters und ihrer Körpergröße zum Zeitpunkt des Unfalles böten sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin von den Übungen überfordert gewesen wäre. In Bezug auf das Hinabsteigen vom Kletterberg könne ein pflichtwidriges Unterlassen der Beklagten verneint werden, da auch hier ein permanentes Halten und Führen dem Therapieziel i.S. einer Förderung der motorischen Fähigkeiten zuwider gelaufen wäre. Im Übrigen hätten allerdings auch die diesbezüglichen Maßnahmen zu einem Schaden führen können. Auch die Absicherung des Kletterberges durch eine besondere Matte sei nicht zu beanstanden gewesen. Überdies habe die Klägerin die Übung zuvor bereits erfolgreich durchgeführt. Darüber hinaus war es auch nicht pflichtwidrig, dass sich die beklagte Ergotherapeutin nicht in unmittelbarer Nähe des Kindes befand, um einen Sturz notfalls abfangen zu können. Kinder in dem Alter der Klägerin bewegen sich gerne und testen dabei auch ihre eigenen körperlichen Fähigkeiten aus. Hier griff der Senat auf eigene Erfahrungen zurück. Ein Sturz sei hierbei nie sicher auszuschließen. Eltern schätzen vielmehr die Fähigkeiten des Kindes ein und wägen unter Berücksichtigung denkbarer Risiken ab, ob sie führen oder halten, ob sie in unmittelbarer Nähe stehen, um das Kind notfalls abfangen zu können, oder ob sie das Kind alleine klettern lassen. Nichts anderes habe die beklagte Ergotherapeutin getan. Die motorischen Fähigkeiten der Klägerin seien der Beklagten aus vielen Therapiestunden bekannt gewesen, überdies sei die Klägerin unmittelbar vor dem Sturz schon unter Führung den Kletterberg hinauf geklettert und herunter gerutscht, so dass eine Einschätzung hinsichtlich der Fähigkeiten vorgenommen werden konnte. Die Klägerin hätte beweisen müssen, dass in jedem Fall der Sturz und damit die Verletzungen sicher vermieden worden wären, dies habe sie nicht vermocht. Überdies sei der Ergotherapeut immer verpflichtet, Nutzen und Risiken der Therapieübungen gegeneinander abzuwägen. Ein Fehler können nicht festgestellt werden.

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