BGH: Ablehnung eines Sachverständigen bei entgeltlicher Privatbegutachtung
Der Bundesgerichtshof hat mit dem Beschluss vom 10.01.2017 (Az. VI ZB 31/16) die in der Literatur umstrittenen Gründe für die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen als befangen konkretisiert: Ein Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit auch dann abgelehnt werden, wenn er für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten zu einer gleichartigen Fragestellung in einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat und wenn die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren. Der Bundesgerichtshof hat sich damit ausdrücklich der überwiegenden Meinung des Schrifttums und einiger Gerichte angeschlossen. Voraussetzung sei jedoch, dass die Interessen des damaligen Dritten denen der ablehnenden Partei in gleicher Weise wie der anderen Partei entgegensetzt sind.
Zwar habe auch ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger Privatgutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Die Befürchtung könne allerdings nicht als unvernünftig von der Hand gewiesen werden, dass der Gutachter sich in Zweifelsfällen und auf der Grundlage der Angaben seines Auftraggebers bei einem Privatgutachten für ein für den Auftraggeber günstiges Ergebnis entscheiden könnte. Auch bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht des Ablehnenden stehe dann die Befürchtung im Raum, der Sachverständige werde nicht geneigt sein, bei der gerichtlich angeordneten Begutachtung von seinem früheren Privatgutachten abzuweichen oder sich gar in Widerspruch zu diesem zu setzen. Von einem Sachverständigen könne zwar erwartet werden, dass er bereit ist, seine zuvor gewonnene Überzeugung zu überprüfen und, wenn nötig, zu korrigieren. Daher komme die Ablehnung eines gerichtlich beauftragen Sachverständigen, der in einem anderen Verfahren ebenfalls als Gerichtssachverständiger ein Gutachten erstattet hat, nicht in Betracht. In dem Fall, dass ein gerichtlicher Sachverständiger vertraglich mit der Beauftragung eines Privatgutachtens mit einer der an der jeweiligen Streitigkeit beteiligten Personen verbunden ist, könnte sich der Sachverständige, würde er den Sachverhalt später anders beurteilen - gleich ob berechtigt oder unberechtigt – dem Vorwurf des Auftraggebers aussetzen, das Privatgutachten nicht ordnungsgemäß erstattet oder sonstige vertragliche Pflichten verletzt zu haben. Einem solchen Vorwurf könne er sich auch dann ausgesetzt sehen, wenn an der Streitigkeit, in der er später als Gerichtssachverständiger tätig wird, andere Personen beteiligt sind. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich hier um einen gleichartigen Sachverhalt und eine gleichartige Fragestellung handele. Dies gelte dann, wenn die Interessen der jeweiligen Parteien in beiden Fällen in gleicher Weise kollidieren. Die Möglichkeit eines Konfliktes des Sachverständigen zwischen Rücksichtnahme auf den früheren Arbeitgeber und der Pflicht zu einer von der früheren Begutachtung losgelösten, objektiven Gutachtenerstattung im Auftrag des Gerichtes ist nach Auffassung des Senates geeignet, das Vertrauen des Ablehnenden in eine unvoreingenommene Gutachtenerstattung zu beeinträchtigen. In dem vorliegenden Streitfall war vom Kläger materieller und immaterieller Schadensersatz für die von ihm behauptete Fehlkonstruktion der von der Beklagten hergestellten und ihm eingesetzten Hüftgelenksprothese verlangt worden. Die Beklagte hatte den gerichtlich bestellten Sachverständigen abgelehnt, da dieser in einem gleichgelagerten, ebenfalls gegen die Beklagte geführten vorherigen Rechtsstreit für den dortigen Kläger ein entgeltliches Privatgutachten über eine Prothese derselben Modellreihe erstellt hatte. Der Senat wies aber in dem Beschluss darauf hin, dass ein gleichartiger Sachverhalt nur dann vorliege, wenn es sich bei der von dem Sachverständigen vormals privat begutachteten und der nunmehr zu begutachtenden Hüftgelenksprothese um das gleiche Produkt aus derselben Modellreihe handele und die möglicherweise unterschiedlichen Arten der Befestigung in den beiden Fällen im Hinblick auf die Beweisfrage ihr die Vergleichbarkeit nicht nehmen würden. Das Beschwerdegericht müsse hierzu noch die erforderlichen Feststellungen treffen. Bei gleichartigem Sachverhalt könne dann auch die begründete Besorgnis der Befangenheit nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass nicht viele Sachverständige für das betroffene Sachgebiet zur Verfügung stehen und selbst das Verhalten der Beklagten für den erhöhten Bedarf an Gutachten womöglich mitursächlich gewesen sein könnte.