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AutorenbildDr. med. Stefan Hübel

Bundesverfassungsgericht: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Die erste Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht hat in einem stattgebenden Kammerbeschluss vom 01.08.2017 (Az. 2 B VR 3068/14) ausgeführt, dass eine abweichende Würdigung der erstinstanzlichen Parteianhörung in der Berufungsinstanz ohne vorherigen richterlichen Hinweis bzw. einer erneuten Gewährung rechtlichen Gehörs eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG darstellt. Im zugrundeliegenden Behandlungsfall (LASIK-Operation mit anschließender Sehkraft-Verschlechterung) wurde der Beschwerdeführer (behandelnder Arzt) erstinstanzlich hinsichtlich der Aufklärung persönlich angehört. Die Kammer wertete seine Ausführungen dahingehend, dass keine Aufklärungspflichten verletzt wurden. Im Rahmen der zweiten Instanz regte der Senat ungewöhnlicher Weise eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren an, der beide Parteien zustimmten. Das Oberlandesgericht verkündete daraufhin ein Urteil, in dem das Urteil des Landgerichtes aufgehoben wurde und der Beschwerdeführer zu einer Schmerzensgeldzahlung verurteilt wurde, darüber hinaus wurde Feststellungsantrag zugesprochen. Das Oberlandesgericht begründete sein Urteil dahingehend, dass eine ausreichende mündliche Aufklärung nicht erfolgt sei. Dies ergebe sich aus den Würdigungen der erstinstanzlichen Anhörungen der Parteien, wobei aufgrund des Charakters des schriftlichen Verfahrens eine erneute Anhörung der Parteien nicht erfolgt ist. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung bezüglich der Verletzung auf rechtliches Gehör mit dem Hinweis, dass im vorliegenden Fall eine Überraschungsentscheidung ergangen sei. Das Oberlandesgericht hatte auf die nochmalige Vernehmung/Anhörung des Beschwerdeführers verzichtet und damit dem Beschwerdeführer angezeigt, dass es hinsichtlich der Würdigung der Ausführungen der ersten Instanz zu keinem anderen Ergebnis kommen würde. Das Bundesverfassungsgericht weist insbesondere darauf hin, dass eine von der erstinstanzlichen Würdigung abweichende Wertung eines Zeugenbeweises ohne vorherige Wiederholung der Vernehmung dem Berufungsgericht regelmäßig verwehrt sei. Im Rahmen der Beweiswürdigung fließen regelmäßig auch Umstände ein, die in der Vernehmungsniederschrift nicht enthalten seien. Eine verlässliche Würdigung einer Zeugenaussage kann nur ein Richter treffen, der den Zeugen auch gehört hat und entsprechend auch die Möglichkeit hatte, durch Vorhalte und Rückfragen etwaige Zweifel und Unklarheiten zu beseitigen. Auf erneute Vernehmung kann nur verzichtet werden, soweit das Berufungsgericht seine abweichende Würdigung auf Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit und die Widerspruchsfreiheit der Aussage betreffen. Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor, so dass das Oberlandesgericht verpflichtet gewesen wäre, den Beschwerdeführer noch einmal als Partei anzuhören. Ergänzend weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass auch, soweit in einem Aufklärungsbogen einzelne Risiken nicht explizit aufgeführt sind (hier Verschlechterung der Sehkraft Nachoperation), der behandelnde Arzt, hier Beschwerdeführer, ebenfalls dazu zu befragen gewesen wäre.

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