Stephan Grundmann

29. Dez. 20212 Min.

BGH hält Werbung für „digitalen Arztbesuch“ für unzulässig

Der BGH hat mit Urteil vom 09.12.2021 (Az. I ZR 146/20) entschieden, dass die Werbung einer privaten Krankenversicherung für eine App zum „digitalen Arztbesuch“ nicht im Einklang mit dem geltenden Wettbewerbsrecht steht. Klägerin war die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, die sich gegen die Werbeaussage der Krankenkasse wandte. Die auf Unterlassung verklagte Krankenkasse bot mittels App ihren Versicherten einen „digitalen Arztbesuch“ bei in der Schweiz ansässigen Ärzten an und bewarb diesen mit dem Slogan: „Erhalte erstmals in Deutschland Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibung per App“.

Aus der bisher veröffentlichten Pressemitteilung geht hervor, dass diese Werbeaussage nach Ansicht des BGH sowohl gegen die ursprüngliche sowie gegen die seit dem 19.12.2019 geltende Fassung des § 9 HWG verstoße. Denn danach sei Werbung für Fernbehandlungen nur dann nicht vom Werbeverbot umfasst, wenn nach allgemein anerkannten ärztlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem zu behandelnden Menschen nicht erforderlich ist. Der BGH stellte nun klar, dass mit den in der Norm verlangten anerkannten Standards nicht die berufsrechtlichen Regelungen des behandelnden Arztes gemeint seien, die in der Schweiz schon seit längerer Zeit eine Fernbehandlung von Patienten zuließen. Vielmehr sei der Standard unter Rückgriff auf den entsprechenden Begriff in § 630a Abs. 2 BGB und auf die hierfür entwickelten Grundsätze auszulegen. Der Standardbegriff könne sich zwar im Laufe der Zeit etwa durch Leitlinien und Richtlinien der Fachgesellschaften und des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) entwickeln, derzeit entspräche eine umfassende Primärversorgung durch Fernbehandlung aber nicht dem bestehenden allgemeinen fachlichen Standard, was zwischen den Parteien auch unstreitig war.

Durch das Urteil steht zu erwarten, dass das Werbeverbot für Fernbehandlungen weiterhin sehr restriktiv durch die Gerichte ausgelegt wird. Es bleibt abzuwarten, ob hier ein politscher Wille besteht, die Möglichkeiten der Fernbehandlungen und die Werbung hierfür weiter zu liberalisieren.

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