Dr. iur. Claudia Mareck

19. März 20212 Min.

BSG: Für Sonderbedarf reale Fälle und Durchschnittsfallzahl zu berücksichtigen

Ausweislich eines Terminsberichts hat das BSG am 17.03.2021 (Az. B 6 KA 2/20 R) entschieden, dass für die Frage der Sonderbedarfszulassung reale Fallzahlen im Verhältnis zur Durchschnittsfallzahl ermittelt werden müssen. Dies kann auch unmittelbar durch eine Abfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) geschehen.

Eine MVZ-GmbH hatte erfolglos aufgrund von Sonderbedarf die Erhöhung der Anstellung eines Hämatoonkologen von 20 auf 40 Wochenstunden beantragt. Der Berufungsausschuss sah jedoch den Bedarf in der betreffenden Raumordnungsregion Nordhessen nebst angrenzenden Planungsbereichen als gedeckt an. Dies habe eine bei zwölf Ärzten durchgeführte Umfrage ergeben, nach welcher mehrere Ärzte noch Kapazitäten von bis zu 200 Patienten pro Quartal hätten und ihre Leistungen um noch bis zu 20% steigern könnten. Hierbei könnten auch Praxen berücksichtigt werden, die sich 33 km vom Standort des MVZ entfernt befinden. Die hämato-onkologisch abgerechneten Leistungen im Planungsbereich lägen unterhalb des Landesdurchschnitts. Dass das klagende MVZ selbst überdurchschnittlich abrechne, liege allein daran, dass die Patienten nicht gleichmäßig verteilt seien.

Das MVZ trug hiergegen vor, der Berufungsausschuss habe versäumt, die Angaben der befragten Ärzte zu verifizieren und zu objektivieren. Zudem seien zu weit entfernt liegende Standorte einbezogen worden, deren Erreichbarkeit für die Patienten unzumutbar sei.

Das BSG wies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an den Berufungsausschuss zurück. Die durchgeführten Ermittlungen belegen nicht hinreichend die behaupteten freien Kapazitäten. Ob der Bedarf gedeckt sei, sei anhand der realen Fallzahlen umliegender Praxen im Verhältnis zum Durchschnitt zu messen. Auch ohne Einverständnis der betroffenen Praxen könnten die Zulassungsgremien in Zweifelsfällen die Fallzahlen über die KV ermitteln. Die Angaben seien zu anonymisieren. Datenschutzrechtliche Vorschriften stünden einem solchen Vorgehen selbst dann nicht entgegen, wenn aufgrund kleiner Fachgruppen einzelne Praxen letztlich identifizierbar seien. Eine entsprechende Ermittlung habe der Berufungsausschuss fehlerhaft unterlassen und nachzuholen. Die berücksichtigten Praxen lagen in einer Entfernung von 20, 33 und 37 sowie maximal 45 Minuten. In ländlichen Regionen sei die Erreichbarkeit mit dem Pkw maßgeblich. Für die hausärztliche und die allgemeine fachärztliche Versorgung, für die der Landkreis Planungsbereich ist, sei eine Zumutbarkeitsgrenze von maximal 25km angemessen. Die Hämatologie zähle dagegen zur spezialisierten fachärztlichen Versorgung mit größerem Planungsbereich (Raumordnungsregion). Daher dürften hier auch weiter entfernt liegende Praxen berücksichtigt werden. Dabei sei aber zu prüfen, inwiefern etwaig dort vorhandene Kapazitäten nicht schon in anderen dortigen Zulassungsverfahren berücksichtigt wurden.

Das Urteil verschärft die Anforderungen an die Ermittlungsintensität durch die Zulassungsgremien und schafft eine Zugriffsbefugnis auf die bei der KV vorhandene Datenlage, die dann auch dem Antragsteller zur Kenntnis zu bringen ist. Anträge auf Sonderbedarf dürften damit zukünftig nicht mehr mit der pauschalen Behauptung, Niedergelassene hätten noch ausreichend freie Kapazitäten, zurückgewiesen werden.

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