Stephan Grundmann
Elektrokrampftherapie zur Zwangsbehandlung von Schizophrenie im Regelfall nicht genehmigungsfähig
Der Bundesgerichtshof hat am 15.01.2020 (Az. XII ZB 381/19) beschlossen, auf die Beschwerde des Betroffenen den ursprünglichen Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 11.06.2019 abzuändern und den Antrag auf gerichtliche Genehmigung der Einwilligung des Betreuers zur zwangsweisen Durchführung einer Elektrokonvulsionstherapie nebst Einleitung einer Narkose, notfalls unter Fixierung, zurückzuweisen. Im zugrundeliegenden Fall litt der 26jährige Betroffene an einer chronifizierten paranoiden Schizophrenie, begleitet von psychotischen Symptomen wie Wahnvorstellungen und Halluzinationen, einer Autismusspektrumstörung sowie einem ausgeprägten Todeswunsch. Bereits im Jahr 2015 hatte er eine Patientenverfügung erstellt, die darauf abzielte, vorrangig mit intensiver Psychotherapie versorgt zu werden und die nur nachrangig eine Behandlung mit möglichst niedrigen Dosierungen an Neuroleptika vorsah. Seit Februar 2018 war der Betroffene wiederholt und überwiegend Zwangsweise untergebracht und mit verschiedenen Medikamenten behandelt worden. Dies führte jedoch zu keiner Verbesserung seines Gesundheitszustandes. Auf Antrag des berufsmäßig bestellten Betreuers für die Gesundheitssorge des Betroffenen genehmigte das Amtsgericht zunächst die medikamentöse Zwangsbehandlung mit Haloperidol Decanoat Depot. Sodann erweiterte es die Genehmigung auf die hier im Streit stehende Zwangsbehandlung mit Elektrokrampftherapie. Eine hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landgericht zurück. Der Bundesgerichtshof hob nun diese Entscheidung auf. Dabei verneinte der Bundesgerichtshof bereits das Vorliegen der Notwendigkeit der Behandlung. Nach § 1906a Abs. 1 Nr. 1 BGB kann der Betreuer in einen ärztlichen Eingriff, der dem natürlichen Willen des Betreuten widerspricht, nur einwilligen, soweit die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl des Betreuten notwendig ist. Das entscheidende Gericht sieht ärztliche Zwangsmaßnahmen allerdings nur unter der Voraussetzung als notwendig im Sinne der Vorschrift an, soweit deren Durchführung einem breiten medizinisch-wissenschaftlichem Konsens entspricht. Im vorliegenden Fall konnte der Bundesgerichtshof diesen Konsens gerade nicht feststellen. Denn der geforderte wissenschaftliche Konsens dürfe sich nicht nur auf die Therapie als solche beziehen, sondern müsse auch für die konkrete Behandlungsform bestehen. Nach der Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer ist allerdings bei gegebener medizinischer Grundindikation auch der natürliche Wille des Patienten zu berücksichtigen. Dabei bezieht sich die Zustimmung des Patienten nicht allein auf die rechtliche Ebene. Vielmehr müsse vorliegend auch berücksichtigt werden, dass ein Behandlungserfolg in der Regel eine entsprechende Bereitschaft des Patienten zur Mitwirkung voraussetzt. Da bei Behandlungen gegen den Willen des Patienten sich auch regelmäßig das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient verschlechtert und auch Traumatisierungen auftreten können, ist die Behandlung gegen den natürlichen Willen des Patienten in der Regel kein anerkannter medizinscher Standard. Da in diesem Fall auch keine lebensbedrohliche Situation für den Betroffenen vorlag, konnte auch nicht ausnahmsweise von einer kunstgerechten Durchführung gegen den Willen des Betroffenen ausgegangen werden. Der Eingriff war nach alledem nicht nach § 1906a Abs. 1 Nr. 1 BGB genehmigungsfähig.
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