Verzögerte Rekanalisation bei akutem Gefäßverschluss
Der insulinpflichtige Kläger wurde am 16.02.2014 mit einer gastrointestinalen Blutung im Krankenhaus der Beklagten aufgenommen. An Vorerkrankungen bestanden neben dem Diabetes eine große Anzahl von diabetestypischen Begleiterkrankungen inklusive Polyneuropathie, Retinopathie, schwerer Arteriosklerose sowie ein Zustand nach Nieren-Pankreastransplantation mit Immunsupression. Am 20.02.2014 zeigte sich dann eine livide Verfärbung der rechten Hand als Folge eines Verschlusses der Arteria radialis nach Dissektion. Weiter bestand ein Verschluss der Arteria ulnaris sowie eine Unterbrechung des arteriellen Hohlhandbogens. Hieraus resultierte dann eine Minderdurchblutung der Daumenseite. Im weiteren Verlauf erfolgten operative Behandlungen zur Verbesserung des Allgemeinzustandes des Klägers. Bezüglich der rechten Hand kam es zu einer weiteren Verschlechterung des Befundes bis hin zu einer Teilmumifizierung. Am 06.03.2014 wurde dann eine Rekanalisation der rechten Arteria radialis vorgenommen, jedoch mussten bei dem Kläger letztlich der Daumen, der Zeigefinger und der halbe Mittelfinger amputiert werden. Der Kläger hat der Beklagten vorgehalten, dass die Rekanalisation bereits am 21.02.2014 hätte erfolgen müssen und nicht erst am 06.03.2014. Das Landgericht Bochum gab der Klage erstinstanzlich statt und verurteilte die Beklagte zu einer Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 50.000,- €. Die hiergegen von Seiten der Beklagte eingelegte Berufung wurde durch das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 19.11.2019 (Az. 26 U 30/19) zurückgewiesen. Die Beklagte hatte vorgetragen, dass bei dem Kläger vor dem 06.03.2014 aufgrund der Begleiterkrankungen, einer Nachbeatmungspflicht und einer Katecholamintherapie jegliche Art von Eingriff kontraindiziert gewesen sei. Darüber hinaus habe nur eine langsame Verschlimmerung der Durchblutungsstörung am Finger vorgelegen. Das Zuwarten sei hier auch medizinisch nicht zu beanstanden, wobei die Beklagte diesbezüglich entsprechende Studien vorlegte. Ferner wurde das Schmerzensgeld als überhöht kritisiert. Der Senat führte eine erneute Beweisaufnahme durch und kam sachverständig beraten zu dem Ergebnis, dass spätestens am 22.02.2014 nach der erfolgreichen Notfallbehandlung des Klägers und Beendigung der Katecholamintherapie ein Rekanalisationsversuch hätte erfolgen müssen. Auch wenn es für den vorliegenden Fall keine Leitlinie gibt, so musste gemäß der gefäßchirurgischen Devise, eine akute Ischämie akut zu behandeln, reagiert werden. Die von der Beklagten behauptete Kontraindikation hinsichtlich des Eingriffs wurde von Seiten des Sachverständigen ebenfalls nicht bestätigt. Auch die vorgelegten Literaturstellen waren nicht geeignet, die Ausführungen der Beklagten zu belegen, da sich diese nur auf gezielte Einzelfälle bezogen und gerade keine Metastudien vorlagen. Insgesamt wurde das Verhalten der Beklagten als grob fehlerhaft eingestuft und der Senat bestätigte darüber hinaus auch die Höhe des Schmerzensgeldes.
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