Stephan Grundmann
LAG Berlin: Biometrische Zeiterfassung für Mitarbeiter in einer Arztpraxis in aller Regel unzulässig
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit seinem Berufungsurteil vom 04.06.2020 (Az. 10 Sa 2130/19) das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Damit gab sie einem angestellten Medizinisch-Technischen Radiologie-Assistenten recht, der sich gegen die Abmahnungen seiner Arbeitgeberin, die eine große radiologische Praxis mit mehreren Standorten betreibt, mit der Begründung wandte, dass ein biometrisches Zeiterfassungssystem nicht erforderlich im Sinne der datenschutzrechtlichen Bestimmungen sei.
Die Beklagte hatte ihren nun klagenden Mitarbeiter abgemahnt, nachdem sie in allen von ihr betriebenen Standorten eine händische Zeiterfassung ihrer Mitarbeiter durch ein technisches System ersetzte und sich dieser weigerte, seine Arbeitszeit nun mit dem neuen System zu erfassen. In diesem System erfolgt eine Identifikation der Mitarbeiter über einen biometrischen Fingerabdrucksensor. Dabei speicherte das vorgehaltene System lediglich die Minutien des menschlichen Fingerabdrucks als Zahlencode. Eine Reproduktion des Fingerabdrucks durch das System war nicht möglich. Die Beklagte begründete die Einführung des neuen Systems damit, dass dieses zum einen eine digitale Erfassung und Verwaltung der Arbeitszeiten ermögliche. Zudem sei das System auch manipulationssicher. Die Beklagte konnte allerdings nicht im konkreten Fall nachweisen, dass es wirklich zu Manipulationen der Arbeitszeiterfassung durch Mitarbeiter im bisherigen System gekommen war.
Diese Begründung zur Einführung des beschriebenen Systems zur Zeiterfassung mittels eines Fingerabdruckscanners ließ auch das Berufungsgericht nicht ausreichen. Letztlich handele es sich bei der Erfassung des Fingerabdrucks um biometrische Daten im Sinne von Artikel 9 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und § 26 Abs. 3 BDSG. Da die Speicherung dieser Daten die Privatsphäre eines Mitarbeiters im besonderen Maße verletzen könne, müsse die Verarbeitung im konkreten Fall erforderlich sein. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall, da insbesondere eine Zeiterfassung mittels Chipkartenlesegerät ähnliche Möglichkeiten zur digitalen Zeiterfassung der Mitarbeiter biete, ohne dabei ähnlich schwer in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter einzugreifen. Die bloße Möglichkeit der Manipulation der Zeiterfassung bei einem Kartensystem würde den Einsatz eines Fingerabdruckscanners nicht rechtfertigen. Gerade in Arztpraxen, in denen die Mitarbeiter im Team ihre Leistung erbringen, wird es kaum möglich sein, Anwesenheiten mittels Kartenerfassung vorzutäuschen, da die Abwesenheit eines Kollegen in solchen kleinen Einheiten den Arbeitskollegen auffallen würde. Konkrete Manipulationen lagen zudem nicht vor. Daher ging das Berufungsgericht davon aus, dass eine absolut manipulationssichere Zeiterfassung vorliegend gerade nicht notwendig sei. Eine digitale Zeiterfassung könne etwa auch anders, etwa mittels Kartenlesegerät, sichergestellt werden. Eine Abmahnung, die auf der Weigerung des Klägers beruht, seine Zeit mittels Fingerabdruckscanner zu erfassen, sei demnach unwirksam.
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