BGH: Kein sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses bei fehlender Abhängi
Sofern eine bereits in ärztlicher Behandlung befindliche Patientin von sich aus das schon vorhandene Interesse eines mit ihr privat bekannten Arztes an ihrer Person ausnutzt, um sich im Rahmen einer lockeren freundschaftlichen Beziehung lediglich auf diesem Weg sonst nicht erhältliche Medikamente verschreiben zu lassen, dabei dem Arzt aufgrund ihrer beruflichen Stellung und Persönlichkeit „auf Augenhöhe“ begegnet und der Entschluss, mit dem Arzt sexuell zu verkehren, nicht auf wesentlichen (krankheitsbedingten) Willensmängel zurückzuführen ist, fehlt es am Tatbestandsmerkmal des „Missbrauches“ des § 174c Abs. 1 StGB. Der erste Strafsenat des BGH hat mit Beschluss vom 29.06.2016 (Az. 1 StR 24/16) auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichtes München II aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. Typischerweise läge ein Missbrauch eines Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsverhältnisses zwar dann vor, wenn ein Arzt sexuelle Handlungen an einer Patientin oder einem Patienten vornimmt und dabei z.B. vorgibt, die sexuelle Handlung sei medizinisch notwendig, wenn er behandlungsbezogene Nachteile beim Zurückweisen seines Ansinnens in den Raum stellt oder wenn er die schutzlose Lage einer (entkleideten) Patientin zur Vornahme sexueller Handlungen ausnutzt. Der Missbrauch setze dabei die illegitime Wahrnehmung einer Chance voraus, die das Vertrauensverhältnis i.S. der Vorschrift des § 174c StGB mit sich bringe. So war es allerdings in dem zu entscheidenden Fall nicht gelegen, da die Nebenklägerin bereits vor Beginn des Behandlungsverhältnisses von sich aus dazu entschlossen war, den vorher nicht als Arzt mit ihr befassten Angeklagten zu instrumentalisieren, um sich durch sein sexuelles Interesse an ihr Zugang zu Medikamenten zu verschaffen, die sie sich auf anderem Weg nur schwer besorgen konnte. Die Nebenklägerin hatte auch im Rahmen ihrer sexuellen Selbstbestimmung frei von wesentlichen Willensmängeln gehandelt, da sie im anklagegegenständlichen Zeitraum nicht abhängig von Benzodiazepinen war und im Übrigen dem Angeklagten auf Augenhöhe begegnete, dementsprechend die sonst typische Abhängigkeitsbeziehung bzw. ein Autoritätsvorsprung des Arztes ausgeschlossen war. Die promovierte Nebenklägerin war in einer verantwortungsvollen Stelle als Staatsanwältin als Gruppenleiterin tätig und hatte früher dem Angeklagten als Richterin am Landgericht Gutachtenaufträge erteilt. Somit hatte sie eher einen Autoritätsvorsprung im Verhältnis zum Angeklagten als umgekehrt. Vor dem Hintergrund der fehlenden Voraussetzungen der Strafnorm war der Angeklagte dementsprechend frei zu sprechen.
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