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  • AutorenbildStephan Grundmann

BSG: Fehlende Aufklärung steht Vergütungsanspruch eines Krankenhauses entgegen

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 19.03.2020 (Az. B 1 KR 20/19 R), mit dem es das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 28.03.2019 (Az. L 1 KR 125/17) aufhob und zur erneuten Entscheidung zurückverwies, klargestellt, dass die ordnungsgemäße Aufklärung über Chancen und Risiken im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch der Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes diene. Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordere nach Ansicht des 1. Senats daher, dass der Versicherte seine Entscheidung über die Inanspruchnahme von GKV-Leistungen auf der Grundlage ausreichender Informationen treffen könne. Im vorliegenden Fall hatte das BSG über die Klage eines Krankenhauses gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der Vergütung einer durchgeführten allogenen Stammzellentransplantation zu entscheiden. Der bei der Beklagten Versicherte, der einen Monat nach der Operation an einer Sepsis verstarb, litt seit mehreren Jahren unter einer schweren Form des Lymphdrüsenkrebses mit mehreren Rückfällen. Die durchgeführte Übertragung von Stammzellen eines Dritten wäre nach Ansicht des Bundessozialgerichts zu vergüten gewesen, wenn das Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V erfüllt worden wäre. Dies wäre zumindest dann der Fall, wenn eine große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Behandlungsmethode befürwortet und Konsens über die Zweckmäßigkeit der Therapie bestanden hätte. Da hierzu im vorinstanzlichen Urteil keine ausreichenden Feststellungen getroffen wurden, prüfte das Bundessozialgericht sodann einen möglichen Vergütungsanspruch aus einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass der Versicherte unter einer lebensbedrohlichen Krankheit litt und für deren Behandlung kein anerkanntes Standardverfahren zur Verfügung gestanden hätte. Die dann durchgeführte Stammzellentherapie hätte dabei objektiv im konkreten Fall auch erfolgsversprechend sein müssen. Diese Voraussetzungen sah das Bundessozialgericht als in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise durch das Landessozialgericht als festgestellt an. Darüber hinaus habe das Landessozialgericht aber keine ausreichenden Feststellungen zu einer gebotenen umfassenden Aufklärung des Versicherten getroffen. Das Bundessozialgericht sah die Aufklärungspflicht als Teil des Wirtschaftlichkeitsgebotes an, da dem Versicherten die Spanne denkbarer Entscheidungen und das Für und Wider der Entscheidung hätte bewusst gemacht werden müssen. Nur so könne der Versicherte entscheiden, ob er die ihm angebotene, medizinisch notwendige Leistung auch abrufen wolle. Zwar sei von einer ordnungsgemäßen Aufklärung bei objektiv medizinisch erforderlichen Behandlungen auszugehen, dies könne aber nicht bei Behandlungen mit hohem Risiko für schwerwiegende Schäden gelten. Bei der hier vorliegenden Behandlungen im Grenzbereich zur experimentellen Medizin bedürfe es aber der konkreten Feststellung, ob, durch wen und wie genau das Krankenhaus den Versicherten über die relevanten Aspekte der abstrakten und der konkret-individuellen Chancen, der Risiken und der Risikoabwägung aufgeklärt hat. Das Gericht weist zudem darauf hin, dass prinzipiell der Nachweis einer nicht dokumentierten Aufklärung im Prozess durch andere Beweismittel erbracht werden könne, soweit keine normenvertraglichen oder rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern bestehen würden. Eine solche Vereinbarung besteht aber indes mit der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV), in deren Regelungen das Bundessozialgericht wirksame materielle Ausschlussfristen sieht (Urteil vom 19.11.2019, Az. B 1 KR 33/18 R). Der Nachweis der ordnungsgemäßen Aufklärung ist vor diesem Hintergrund nach den Ausschlussregelungen der geltenden PrüfvV bereits rechtszeitig in das Prüfverfahren einzubringen. Das Bundessozialgericht schafft mit seinem beachtenswerten Urteil einen weiteren Regressgrund der Krankenversicherungen, indem es die zivilrechtliche Aufklärungspflicht nun auch auf das sozialrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot überträgt. Soweit eine ordnungsgemäße Aufklärung bei folgeschweren Eingriffen nicht ausreichend dokumentiert ist, können Krankenversicherungen die Vergütung der gesamten Behandlung verweigern. Ein Nachweis der Aufklärung mit Mitteln, die über die Auswertung der Krankenunterlagen hinausgehen, wird dabei wohl durch die Heranziehung der materiellen Ausschlussregelungen der PrüfvV verhindert.

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