Dr. med. Inken Kunze

8. Sept. 20162 Min.

BSG: Verschlüsselung in der Hauptdiagnose sowie Verwirkung bei Rechnungskorrektur

Das BSG hat sich mit Urteil vom 05.07.2016 – B 1 KR 40/15 R zur Verschlüsselung der Hauptdiagnose bei zwei oder mehr therapierten Diagnosen und zum Verwirkungstatbestand bei korrigierten Vergütungsrechnungen geäußert. Auf die Revision der beklagten Krankenkasse wurde das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück verwiesen; zu entscheiden ist nun jedoch nur noch über die Höhe des weitergehenden, per Rechnungskorrektur geltend gemachten Nachforderungsbetrages. Die Nachberechnung war nicht verwirkt. Die Klägerin war nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht daran gehindert, ihren – der Höhe nach noch zu klärenden – Restzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten im Mai 2011 geltend zu machen. Eine Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung setze voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechtes während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Ein Verwirkungsverhalten werde zwar vom Senat bei vorbehaltloser Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung des Krankenhauses gesehen. Eine im Weiteren erforderliche Vertrauensgrundlage entstehe allerdings in der Regel erst dann, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch im nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend macht. Krankenhaus und Krankenkasse arbeiteten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammen, eine gegenseitige Rücksichtnahme sei zu erwarten. Die Krankenkasse sei auf tragfähige Berechnungsgrundlagen angewiesen und müsse sich grundsätzlich auf die „Schlussrechnung“ eines Krankenhauses schon in ihrem laufenden Haushaltsjahr verlassen können. Einzubeziehen sei aber auch das anzuerkennende Interesse der Krankenhäuser, hinsichtlich aller in einem laufenden Haushaltsjahr ermittelten Schlussrechnungen noch effektiv Nachprüfungen in einem angemessenen zeitlichen Rahmen vornehmen zu können. Würde man ausschließlich auf das laufende Haushaltsjahr abstellen, hätte dies zur Folge, dass die Krankenhäuser, je später im Jahr Schlussrechnungen erfolgten, desto weniger Zeit zur Korrektur hätten. Insofern sei der für die Vertrauensgrundlage zugrunde zu legenden Zeitraum das gerade laufende und das noch nachfolgenden volle Haushaltsjahr der Krankenkasse.

Ob das klagende Krankenhaus die Nachforderung unter Berücksichtigung der gastroösophagealen Refluxkrankheit mit Ösophagitis (K21.0) oder der gleichfalls vorliegenden und auch während der stationären Behandlung behandelten Radiusfraktur (S52.30) als Hauptdiagnose berechnen durfte hänge davon ab, welche der beiden behandlungsbedürftigen Diagnosen nach objektiven Maßstäben den größeren Ressourcenverbrauch ohne Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge der stationären Behandlung hervorrief. Es komme dabei auf eine nachträgliche „Analyse“ entsprechend der Hauptdiagnosedefinition an und nicht auf subjektive oder objektiv erzielbare Einweisungs- oder Aufnahmediagnosen.