Stephan Grundmann

24. Juni 20192 Min.

Wirtschaftlichkeitsprüfung kann nicht allein aufgrund von Abrechnungsdiagnosen durchgeführt werden

Das Sozialgericht Berlin hat mit zwei parallel ergangenen Urteilen vom 09.01.2019 (Az: S 87 KA 77/18 und S 87 KA 325/17) aufgezeigt, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Bezug allein auf Abrechnungsdiagnosen bei Ausschluss jedes weiteren Tatsachenvortrages im Verfahren vor den Prüfungsgremien beurteilungsfehlerhaft ist.
 

 
Vorliegend wurde eine Klage einer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Frauenärztin gegen die Kürzung ihres Honorars wegen Unwirtschaftlichkeit der Gebührenordnungspositionen (GOP) 35100 und 35110 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs der Ärzte (EBM-Ä) entschieden und parallel dazu die Klage eines Facharztes für HNO wegen Unwirtschaftlichkeit der GOP 09311 EBM-Ä.
 

 
In beiden Verfahren kam es letztlich auf die Frage an, ob die Prüfungsgremien sich bei ihrer Wirtschaftlichkeitsprüfung allein auf Abrechnungsdiagnosen stützen dürfen und dabei jedes weitere Vorbringen der Vertragsärzte im Verwaltungsverfahren zurückweisen dürfen. Die beklagte Prüfungsstelle ging dabei davon aus, dass die Diagnosen, die durch den Arzt nach § 295 SGB V zu übermitteln waren, nicht mehr korrigierbar seien. Daher läge es aus ihrer Sicht auf der Hand, dass im Rahmen einer durchgeführten Schlüssigkeitsprüfung bezogen auf die ärztlichen Indikationen ein Nachschieben oder Berichtigen der ursprünglichen Diagnosen nicht zulässig sei. Das Sozialgericht Berlin stellte dann allerdings in seinem Urteil klar, dass den Prüfungsgremien zwar bei der Auswahl der Prüfmethode und auch bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zustehe, die Prüfung in den vorliegenden Fällen aber nicht beurteilungsfehlerfrei erfolgt sei. Sie sei daher rechtswidrig. Eine Präklusion jedes weiteren Tatsachenvortrages schon vor Beginn des Verwaltungsverfahrens ist im Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht vorgesehen und auch durch keine Rechtsvorschrift herleitbar. Im Zusammenhang mit § 20 SGB X hätte die Beklagte bereits im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes dem Vertragsarzt die Möglichkeit geben müssen, im Verwaltungsverfahren seine Leistungserbringung konkret zu klassifizieren und näher zu erklären. Dabei hätte eine beurteilungsfehlerfreie Entscheidung in der Sache auf die Stellungnahme der Vertragsärzte eingehen müssen. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass vorliegend eine so genannte eingeschränkte Einzelfallprüfung durchgeführt wurde, da die eingeschränkte Einzelfallprüfung eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes voraussetzt. Ohne Berücksichtigung des weiteren Vorbingens konnte aber nach Ansicht des Gerichts keine rechtmäßigen Entscheidungen in den streitgegenständlichen Verfahren ergehen.
 
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