Dr. iur. Claudia Mareck

24. Juli 20192 Min.

Abschluss eines Praxiskaufvertrags ist kein Auswahlkriterium im Nachbesetzungsverfahren

Das Landessozialgericht NRW hatte sich mit Urteil vom 19.12.2018 (Az. L 11 KA 86/16) mit der Auswahlentscheidung im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V eines ausgeschriebenen anästhesiologischen Sitzes auseinanderzusetzen. Da die Erwägungen des Berufungsausschusses mehrfach ermessensfehlerhaft waren, wurde das Verfahren an den Berufungsausschuss zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Oftmals werden sich der Praxisabgeber oder dessen Erben mit einem Bewerber insbesondere über den Kaufpreis einig und schließen mit nur diesem einen Praxiskaufvertrag. Verhandlungen mit weiteren Bewerbern werden abgelehnt. Die zivilrechtliche Einigung soll dann im sozialrechtlichen Nachbesetzungsverfahren für eine vorrangige Auswahl des Wunschnachfolgers ausreichen. Bei der im Ermessen der Zulassungsgremien stehenden Auswahl sind aber allein die sozialrechtlichen Kriterien des § 103 Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 3 SGB V zu berücksichtigen. Das Landessozialgericht NRW hat erfreulicherweise nochmals ausdrücklich klargestellt, dass es unerheblich ist, ob mit einem Bewerber bereits ein Praxiskaufvertrag geschlossen wurde. Es reicht aus, dass die weiteren Bewerber bereit sind, in den Praxiskaufvertrag einzutreten und den Verkehrswert der Praxis zu zahlen. Denn gem. § 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V sind die wirtschaftlichen Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt. Ferner hatte der Berufungsausausschuss nicht hinreichend zwischen den Voraussetzungen unterschieden, die jeder Bewerber erfüllen muss, um zur vertragsärztlichen Versorgung im Nachbesetzungsverfahren zugelassen zu werden – insbesondere dem Willen zur Fortführung der Praxis – und der zu treffenden Auswahlentscheidung – insbesondere die Versorgungskontinuität. Ersteres ist voll gerichtlich überprüfbar, letzteres nur eingeschränkt bezogen auf Ermessensfehler. Ein früherer Eintrag in die Warteliste darf nicht als besondere Zielstrebigkeit eines Bewerbers zur Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gewertet werden. Dass frühere Kooperationspartner des Praxisabgebers bereit sind, mit dem Wunschkandidaten zusammen zu arbeiten, besagt zudem nichts darüber, dass nicht auch eine Kooperationsbereitschaft mit einem anderen Bewerber besteht.
 

 
Das Urteil zeigt einmal mehr, dass den Berufungsausschüssen trotz mittlerweile zahlreicher Urteile zum Auswahlverfahren gerade Ermessensfehler unterlaufen. Eine Kenntnis der sozialrechtlichen Vorgaben ist daher im Nachbesetzungsverfahren unabdingbar.