Dr. med. Stefan Hübel

7. Aug. 20172 Min.

Fehlerhafte Anwendung einer Präklusionsvorschrift

Die Klägerin erlitt im Rahmen einer Schilddrüsenoperation eine Recurrensparese links und eine Minderbeweglichkeit des Stimmbandes rechts. Es stellte sich nachträglich ferner heraus, dass die Diagnose eines Schilddrüsenkarzinoms nicht zutreffend war. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die Klägerin hatte nach Vorlage des Sachverständigengutachtens und Ablauf der Stellungnahmefrist hierzu erstmalig vorgetragen, dass die im Vorfeld durchgeführte Feinnadelpunktion fehlerhaft war. Das Landgericht sah das Vorbringen gemäß § 296 Abs. 1 ZPO als verspätet an. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof kommt im Beschluss vom 16.05.2017 (Az. VI ZR 89/16) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag hinsichtlich eines etwaigen Fehlers bei der Beurteilung der Feinnadelbiopsie nicht verspätet war. Der Senat weist darauf hin, dass das hier vorgetragene Angriffsmittel gerade nicht im Zusammenhang mit dem erstellten chirurgischen Sachverständigengutachten stand. Vor diesem Hintergrund war der Vortrag hinsichtlich eines Fehlers bei der Befundung der Feinnadelbiopsie auch nicht von der gerichtlichen Frist gemäß § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO erfasst. Im vorliegenden Fall war ein viszeralchirurgisches Sachverständigengutachten eingeholt worden. Im Rahmen dieses Sachverständigengutachtens führte der Sachverständige aus, dass aufgrund der vorliegenden Befunde von einem Schilddrüsenkarzinom ausgegangen werden musste. Das Ergebnis der pathologischen Untersuchung des Feinnadelpunktats legte der Sachverständige als korrekt zugrunde. Das Landgericht hatte der Klägerseite wiederum eine Frist zur Stellungnahme zum Sachverständigengutachten gesetzt, binnen derer insbesondere die eventuellen Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten, die Begutachtung betreffenden Anträge und Ergänzungsfragen zum Sachverständigengutachten mitzuteilen seien. Nach dem Wortlaut des Beschlusses bezog sich die gesetzte Frist damit gerade nicht auf den Umstand, dass es im Rahmen der Beurteilung des Feinnadelpunktates zu einem Fehler gekommen sein könnte. Vor diesem Hintergrund hatte die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen die Trägerin des Krankenhauses [Beklagte zu 1)] Erfolg. Gegen den ebenfalls mitverklagten chirurgischen Oberarzt [Beklagter zu 2)] hatte die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg, da dieser gerade nicht für einen Fehler verantwortlich gemacht werden könne, der nicht in seinem Fachgebiet aufgetreten ist (hier Pathologie).