Dr. med. Inken Kunze

2. Mai 20161 Min.

BGH: Ohne wirksame Einwilligung ausgeführte Operation – Beweislast bei Gesundheitsbeschädigung auf B

In Fortführung früherer Rechtsprechung hat der BGH entschieden: Es ist Sache des beklagten Arztes zu beweisen, dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben würde, weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde (BGH, Urteil vom 22.03.2016 – VI ZR 467/14). Dem Rechtsstreit zugrunde lag die Feststellung, dass die Operation – vollständige Entfernung eines gutartigen Hirntumors – rechtswidrig gewesen war, da die Kläger – Eltern des zwei Jahre zuvor geborenen Mädchens – ihre Einwilligung nur bezüglich einer Fensterung der im Gehirn gelegenen Zyste erklärt hatten. Durch die Operation erlitt die Tochter schwere Nerven- und Gefäßverletzungen und litt bis zu ihrem Tod 11 Jahre später unter einer schweren Tetraplegie mit fast vollständiger Lähmung, Fehlstellungen der Hand- und Fußgelenke und einer Schluckstörung. Sie war blind und konnte nicht sprechen. Der Sachverständige hatte zwar festgestellt, dass die tiefgreifende apallische Schädigung auf der Tumorresektion beruhe. Gleichzeitig hatte er allerdings auch darauf hingewiesen, dass im ungünstigsten, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließendem Fall bei Nichtentfernung des Hirntumors und bloßer Fensterung bereits nach wenigen Jahren durch das Tumorwachstum die (gleichen) schwerwiegenden und letalen Folgen hätten hervorgerufen werden können. Das Oberlandesgericht hatte die diesbezügliche Beweislast den klagenden Eltern auferlegt. Sie hätten darlegen und beweisen müssen, dass die Tumorresektion eine nicht hinweg zu denkende Ursache für die geltend gemachten Schäden gewesen sei. Der BGH-Senat sah dies anders. In Anknüpfung an die Urteile vom 13.01.1987 – VI ZR 82/86 – und 05.04.2005 – VI ZR 2016/03 – gelte der allgemeine Grundsatz, wonach der Schädiger zu beweisen habe, dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde, wie der tatsächliche Geschehensablauf.